Sehr geehrter Herr Trauernicht,
sie haben Ihre Frage mit der Feststellung begonnen, dass ein hinterlüfteter
Schornstein eine erhebliche
Luftundichtheit des Gebäudes darstellt.
Daher muss ich bei der Beantwortung näher auf die Thematik eingehen.
Bitte berücksichtigen Sie, dass ich hier meinen persönlichen Kenntnisstand und meine persönliche Meinung zu dieser Thematik äußere. Ich möchte einen Denkanstoß in der Diskussion geben. Die Aussagen zu überprüfen oder zu widerlegen, obliegt im Bedarfsfall den Teilnehmern der Diskussion. Für die Aussagen übernehme keine rechtliche Gewähr und Haftung.
In der EnEV wird die Luftdichtheit für Gebäude gefordert. Um die Luftdurchlässigkeit von Gebäuden zu bestimmen wird ein Prüfverfahren nach
DIN EN 13829:2002-02 angewendet.
Nach meinem Kenntnisstand sollte das Differenzdruckverfahren, der sogenannte „
Blower-Door-Test“, ursprünglich bewirken, etwaige Undichtheiten - insbesondere in Anschlussfugenbereichen – zu lokalisieren. Grund: Die mit der luftdichten Bauweise verbundenen hochwärmegedämmten Baukonstruktionen widersprechen teilweise den in den Regionen üblichen bautechnischen Ausführungen der letzten Jahrzehnte. Kondensiert
Wasserdampf innerhalb der Konstruktion der Bauteile, können schwerwiegende Bauschäden die Folge sein. Dieses muss demzufolge verhindert werden.
Heute wird der „Blower-Door-Test“ auch durchgeführt, um durch den Nachweis einer gewissen Luftdichtheit Fördermittel zu erhalten. Eine Überprüfung der Dauerhaftigkeit nach einigen Jahren wird mutmaßlich von den meisten
Bauherren aus Kostengründen nicht durchgeführt. Existiert eine Handhabe, um in diesem Fall eine Rückzahlung der Fördermittel fordern zu können? Vermutlich ist dieses nicht der Fall.
Ob die Luftdichtheit auch über die gesamte Dauer (Nutzungszeit) des Gebäudes sichergestellt werden kann, mag bezweifelt werden. Gebäude verhalten sich in sich „instabil“. Durch unterschiedliche Bedingungen (z.B. Setzungen des Bauwerks, Alterung der eingesetzten Dichtungsmaterialien usw.) entstehen Undichtheiten in der
Gebäudehülle. Durch diese findet dann eine Luftfiltration statt.
Nach
DIN EN 13829 wird die Luftdichtheit der Hülle von Gebäuden oder Gebäudeteilen geprüft und bewertet. In der Praxis werden gewisse Bauteile (z.B.
Fenster) von den Herstellern – meines Erachten auch überproportional – dicht gestaltet. Aus Nutzersicht wäre vielleicht eine gewisse Luftdurchlässigkeit wünschenswert, weil diese zu einer
Verbesserung des Raumklimas beitragen würden. Schon jetzt sind Feuchteschäden in Wohnungen und Gebäuden keine Seltenheit.
Oft wird das auf das Nutzerverhalten der Bewohner zurückgeführt. Soll z.B.. der Hausbewohner extra um 3 Uhr am Morgen aufstehen, um die Fenster für einen
Luftwechsel zu öffnen, weil der Feuchtegehalt in der Wohnung dann am größten sein könnte.
Die Einrichtung des Gebäudes hat auch Einfluss auf das Raumklima. Werden nicht immer mehr Fußböden, Möbel und Teppiche aus oder mit Kunststoffanteilen etc. eingesetzt? Die Eigenschaft dieser Gegenstände Feuchte aus dem Raum zu speichern und in gewissen Zeiten
wieder abzugeben fehlt immer mehr. Jetzt können Sie entgegnen, eine kontrollierte Be- und Entlüftung kann da Abhilfe schaffen . Da mögen Sie recht haben. Sind diese Anlagen zumindest im EFH-Neubaubereich und in der Altsubstanz in der Mehrzahl anzutreffen?
Zu hohe Luftwechselraten und viel zu hohe Stromverbräuche der ersten Anlagen (verbunden
Geräuschbelästigungen) führten vermehrt dazu, dass die errechneten
Energiesparwerte in verschiedenen Gebäuden nicht erreicht wurden. Zwischenzeitlich sind Anlagen mit und ohne
Wärmerückgewinnung auf dem Markt, die die aufgeführten Mängel nicht mehr aufweisen und auch kostengünstig vertretbar sind. Aber auch hier müssen die Kosten für
Wartung/Reinigung in die Betrachtung einbezogen werden. Werden Wartung und Reinigung vernachlässigt, kann sich dieses negativ auf die Innenraumluftqualität auswirken. Die Bauaufsicht hat hierauf nur bedingten Einfluss.
Die DIN 4108-6/A1:2001-08 sieht je nach Ausführung und Nachweis Luftwechselraten zwischen 0,55 h-1 und 0,7- h-1 vor, die in die Planung einbezogen werden müssen. Ein für den Menschen behagliches Raumklima setzt – nach meinem Kenntnisstand - sogar einen hygienischen Luftwechsel zwischen 0,8 h-1 und 1,0 h-1 voraus.
Die energetischen Verluste durch die Belüftung eines dreischaligen Schornsteines sind mutmaßlich im Verhältnis zu den nach DIN 4108-6 anzusetzenden Luftwechselraten gering.
Durch die Belüftung müsste sogar eine gewisse permanente Entfeuchtung des Raumes bewirkt werden, was jedoch nicht bestimmungsgemäße Aufgabe der Belüftung ist.
Wird bei der Planung eine freie Lüftung /
Fensterlüftung mit Nachweis der Luftdichtheit (was durchaus noch gängig sein dürfte) vorgesehen, ist ein Luftwechselrate von 0,6 h-1 anzusetzen. Bei einem Rauminhalt von z.B. 80 m³ würden demnach 48 m³/h durch das Öffnen von Fenstern und Türen oder Undichtheiten in diesen Bereichen durch z.B.
Querlüftung entweichen..
Die derzeitigen Feuerungsverordnungen der Länder gehen davon aus, dass für
Feuerstätten bis 35 kW, die
Verbrennungsluftversorgung als nachgewiesen gilt, wenn die Feuerstätten in einem Raum aufgestellt sind, der z.B. mindestens eine Tür ins Freie oder ein Fenster aufweist (Räume mit Verbindung zum Freien), das geöffnet werden kann und einen Rauminhalt von mindestens 4 m³ je 1 kW Gesamtnennwärmeleistung hat. Somit soll ein Verbrennungs-luftvolumenstrom von 1,6 m³/h je kW sichergestellt werden. Für die Verbrennungs-luftversorgung der Feuerstätte müssen durch Fenster und Türen, also pro m³ Rauminhalt, stündlich 0,4 m³
Außenluft nachströmen. Das würde eine Luftwechselrate von 0,4 h-1 bedeuten.
Bei der Betrachtung der energetischen Verluste durch die Hinterlüftung muss berücksichtigt werden, dass die maximale Luftmenge, die durch Belüftungsschächte (ein 18er belüfteter Systemschornstein beträgt die Summe der meist vier Belüftungsschächte ca. 137 cm²) entweicht, abhängig ist von der Höhe des Schornsteines, den
Temperaturdifferenzen zwischen Innenraum und Außenluft, den Widerständen (durch Form und Oberfläche der Schächte) und den Wärmeübergängen durch die Nutzung (Feuerstätte außer Betrieb / Feuerstätte in Betrieb).
Die größte
Abluftleistung müsste daher im Winter während des Betriebes einer Feuerstätte mit relativ hohen
Abgastemperaturen (z.B. bei Anschluss einer Festbrennstoff-Feuerstätte) sein. Diesbezügliche in der Praxis durchgeführte messtechnische Untersuchungen sind mir jedoch nicht bekannt. Rechnerische Verfahren sollten mit messtechnischen Daten verglichen werden. Durch den Betrieb der Belüftung müsste auch eine Entfeuchtung des Raumes stattfinden. Dieses sollte auch in die Betrachtung einfließen.
Warum habe ich dieses alles aufgeführt? Einfach nur zum besseren Verständnis der Lüftungssituation in einem „luftdichten“ Gebäude. Nachfolgend möchte ich auf Ihre eigentliche Frage eingehen:
Prinzipiell kann ein klassischer, belüfteter (hinterlüfteter) Systemschornstein bei einer feuchten Betriebsweise mit den
Brennstoffen Gas oder Öl als Abgasleitung für
Unterdruck verwendet werden, sofern für diese Nutzung der entsprechende Verwendbarkeitsnachweis („DIBt-Zulassung“) vorliegt.
Dieses macht klar Sinn, wenn es sich bei der angeschlossenen Feuerstätte z.B. um eine raumluftabhängige Feuerstätte handelt, die die Verbrennungsluft aus einem Raum entnimmt, der Öffnungen oder Leitungen aus dem Freien oder Leitungen aufweist und außerhalb der dichten Gebäudehülle liegt. Dann ist es sicherlich verständlich, dass eine energetische Bewertung der Verluste durch Hinterlüftung entbehrlich ist, da diese außerhalb der dichten Gebäudehülle liegt.
Sofern der hochgedämmte dreischalig Systemschornstein trocken betrieben wird, das ist z.B. bei Anschluss einer Festbrennfeuerstätte derzeit der Regelfall, kann bei einigen Systemen auf den Einbau des
Zuluftgitters (ist ja im Wohnzimmer auch nicht schön) verzichtet werden, sofern die gleichen Komponenten die Erstellung einer normkonformen dreischaligen Bauart im Sinne von DIN 18160-1 ermöglichen. Allerdings muss der Schornstein vom Planer gegenüber der Bauaufsicht (->Untere Bauaufsicht, Bezirksschornsteinfegermeister) für diese Nutzung deklariert werden. Der Schornsteinhersteller oder Bezirksschornsteinfegermeister gibt Ihnen hierzu sicherlich gerne Auskunft.
Es gibt zugelassene Systeme, bei denen im Bedarfsfall auch auf die Belüftung der meist gedämmten Keramik-Innenschale verzichtet werden kann. Das kann z.B. der Fall sein, wenn gegenüber dem Deutschen Institut für Bautechnik der Nachweis erbracht wurde, dass der Feuchtedurchgang durch die Keramik-Innenschale unter < 2 g/hm² beträgt. Diese Bauweise bietet gegenüber einer sogenannten „Kompaktbauweise“ den Vorteil, dass im Bedarfsfall nutzbare Belüftungsschächte in der Formgebung der Leichtbeton-Außenschale bereits integriert sind.
Berücksichtigen Sie bei der Betrachtung, dass viele Schornsteindurchfeuchtungen (durch Kondensat oder Niederschläge) die Ursache in einer mangelnden Bauausführung haben. Das kann z.B. eine unsaubere mangelnde Verarbeitung des Versetzmittels (Fugenkitt, „Säurekitt“) für die Keramik-Innenschale sein. Eine Belüftung kann gewisse Widrigkeiten kompensieren, zumal auch die Feuchtedurchgangswerte der eingesetzten Keramik – aufgrund des technischen Fortschritts – deutlich dichter geworden sein müssten.
Das war sicherlich auch mit der Grund, hinterlüftete Systeme zu entwickeln. Die Hinterlüftung ist im Bauwesen schon seit langem bekannt. Bereits 1895 wurde in einem Vorort Hamburgs ein Wohngebäude mit einer „Umlaufluftisolierung“ zur Verhinderung von Feuchtigkeit und Schwitzwasser ausgeführt. Regierungsbaumeister Jannsen wies damit 1899 die Funktion einer derartigen Außenwandkonstruktion nach. Aktuelles Beispiel sind zweischalige Außenwände mit Luftschicht und Wärmedämmung. Aufbau und Konstruktion haben sich in der Praxis bewährt.
Übrigens tragen die Eckaussparungen für die Belüftungsschächte auch zur Gewichtsersparnis
der Leichtbeton-Formstücke bei.
Für die zentrale Beheizung von Einfamilienhäusern nimmt in Norddeutschland die Anzahl an wandhängenden LAS-
Brennwertgeräten (C43x, C63x) stetig zu. Wenn die LAS-Feuerstätte sinnvollerweise im Erdgeschoß oder Keller installiert wird, bietet sich eine Keramik-Abgasleitung mit Leichtbetonschacht zur Ableitung der Abgase an. Hierfür sind, abhängig vom Feuerstättentyp und den baulichen Bedingungen, Innendurchmesser zwischen 8, 10 oder 12 cm üblich. Die Feuerstätte kann sich über den Ringspalt zwischen Keramik-Muffenrohr und Leichtbetonschacht die Verbrennungsluft von der Mündung der Abgasanlage ansaugen. Auch hier wird die Keramik-Innenschale belüftet, allerdings im Gegenstrom von der Mündung.
In Kombination mit einem dreischaligen Schornstein für eine Festbrennstoff-Einzelfeuerstätte ist eine im Schacht geführte Keramik-Abgasleitung eine sinnvolle und vorausschauende Wahl. Die Verbrennungsluftversorgung der Festbrennstoff-Einzelfeuerstätte kann z.B. über eine Verbrennungsluftleitung vom Freien erfolgen. Handelt es sich um keine raumluftunabhängige Festbrennstoff-Einzelfeuerstätte (was derzeit der Fall sein wird), muss zudem sichergestellt werden, dass der gleichzeitige Betrieb der Feuerstätte und möglichen luftabsaugenden Anlagen (Lüftungs- oder
Warmluftheizungsanlagen,
Dunstabzugshauben, Abluft-Wäschetrockner) in der Wohnung oder Nutzungseinheit vergleichbarer Größe durch Sicherheitseinrichtungen ausgeschlossen ist.
Neuerdings kommen auch Luft-Abgas-Schornsteine für raumluftunabhängige Festbrennstoff-Einzelfeuerstätten auf den Markt. Sowohl Luft-Abgas-Schornstein als auch die raumluftunabhängige Einzelfeuerstätte benötigen allerdings eine DIBt-Zulassung! (Bislang sind mir erst drei Zulassung für derartige Feuerstätten bekannt.) Man spricht von einer konzentrischen Schachtanordnung, wenn der Abgasschacht (z.B. eine gedämmte Keramik-Innschale) vom Luftschacht umschlossen im Außenschacht (z.B. aus Leichtbeton) angeordnet ist. Auch hier handelt es sich quasi um eine im Gegenstrom belüftete (hinterlüftete) Bauart. Die Verbrennungsluft kann auf dem Weg von der Mündung zur Feuerstätte vorgewärmt werden. Dieses kann die
Tauwasserproblematik auf den raumseitigen Oberflächen des Außenschachtes vermindern und zu einer Erhöhung den Wirkungsgrades der Feuerstätte beitragen. Raumluftabsaugende Anlagen (z.B. eine Küchenabluft, Be- und Entlüftung) gefährden meist nicht den sicheren Betrieb der besonderen raumluftunabhängigen Einzelfeuerstätte.
Auch die innovativen Luft-Abgas-Schornsteine gibt es in Kombination mit Keramik-Abgasleitungen. Damit dürfte auch in Zukunft ein Schornstein im Haus eine Wertsteigerung bedeuten.
In diesem Sinne verbleibe ich mit
freundlichen Grüßen
G.Pfitzner