Die integral mit der Planungsmethodik Building Information Modeling (BIM) realisierte „Viega World“ gilt als Leuchtturmprojekt für die Zukunft des Bauens. Welchen Herausforderungen sich die gesamte Baubranche – von Investoren, Architekten und Fachplanern über Generalunternehmer und ausführende Fachhandwerker bis hin zum späteren Betreiber – zukünftig wird stellen müssen, war Thema einer mit namhaften Experten besetzten Podiumsdiskussion, zu der Systemanbieter Viega anlässlich der Eröffnung der „Viega World“ eingeladen hatte.
Moderiert von Dr. Ines Marbach erörterten Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft in einer Podiumsdiskussion, zu der Viega anlässlich der Eröffnung des Seminarcenters „Viega World“ eingeladen hatte, die Herausforderungen für die Zukunft des Bauens: Prof. Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck, Ulrich Zeppenfeldt, Dr. Ines Marbach, Christian Böllhoff, Marius Bucur und Prof. Dr.-Ing. Norbert Preuß (v.l.n.r.).
Die Expertenrunde machte deutlich, dass die Zukunft des Bauens intelligente Konzepte und neues Denken erfordert. Viele etablierte Prozesse werden nicht mehr den Anforderungen gerecht, die künftig an ein wirtschaftlich tragfähiges, nachhaltiges Bauen gestellt werden. Im Bild Prof. Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck, RWTH Aachen University (links), und Ulrich Zeppenfeldt, Viega.
Das interaktive Weiterbildungszentrum „Viega World“ gilt als Leuchtturmprojekt für die Zukunft des Bauens, denn erstmals wurde ein Bildungsbau so konsequent integral mit der Arbeitsmethodik BIM realisiert. Viele der Erkenntnisse sind deshalb auch schon in die einschlägigen Normen und Regelwerke eingeflossen.
Bilder: Viega Der bekannte Wirtschaftsforscher Christian Böllhoff, Geschäftsführer der Basler Prognos AG, leitete die Podiumsdiskussion mit einem Impulsvortrag „Herausforderungen für die Zukunft des Bauens“ ein. Insbesondere die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung, der Fachkräftemangel und die Energiewende standen im Fokus. Ebenso fachkundig wie eloquent moderiert durch die Umweltwissenschaftlerin Dr. Ines Marbach vertieften anschließend Prof. Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck (RWTH Aachen University), Ulrich Zeppenfeldt (Vice President Global Service & Consulting, Viega), Prof. Dr.-Ing. Norbert Preuß (Preuss Project Partner) und Marius Bucur (Chief Strategy Officer, Viega) die entscheidenden Fragen, die innerhalb dieses Rahmens künftig bei der praktischen Umsetzung eines jeden Neubauprojektes oder einer Gebäudesanierung beantwortet werden müssen. Dazu gehören vor allem umfassende ökologische und ökonomische Konzepte – Nachhaltig-
keit –, ein „agiles Denken“ für die ganzheitliche Planung eines Objektes auch mit Blick auf die Betriebsphase – BIM – und nicht zuletzt ein interaktives Projektmanagement, um die teilweise divergierenden Interessen der an der Bauumsetzung Beteiligten möglichst effizient zusammenzuführen, Stichwort: Kollaboration.
Energieeffizienz und Fachkräftemangel als Hauptthemen
Als einer der führenden Systemanbieter von Installationstechnik gehört Viega zu den Innovationstreibern, wenn praxisgerechte Sanitär- und Heizungslösungen beispielsweise zur ressourcenschonenden Wärmeversorgung, zum energiesparenden Erhalt der Trinkwasserhygiene oder zur effizienten Umsetzung von Bauprozessen gefordert sind. Das spiegelt sich nicht zuletzt in dem Viega Selbstverständnis „Wir installieren die Lebensadern der Gebäude von morgen“ wider, das auch beim Neubau des interaktiven Weiterbildungszentrums „Viega World“ eine zentrale Rolle spielt: Über ein innovatives Seminarkonzept wird das Gebäude selbst zum Schulungsinhalt – und macht so viele, sonst eher theoretische Aspekte zur Zukunft des Bauens im wahrsten Sinne des Wortes konkret fassbar und erlebbar.
Zu dieser Zukunft und den damit verbundenen Herausforderungen dürfte im kommenden Jahr nicht zuletzt der sich weiter verstärkende Fachkräftemangel gehören, der sich im Bauwesen vor allem auf das Tempo bei der energetischen Gebäudesanierung auswirken werde, so Prognos-Geschäftsführer Christian Böllhoff: „Der Fachkräftemangel zeichnet sich zwar schon seit Längerem ab. Durch den demografischen Wandel wird er aber nochmals verstärkt. Das hat – trotz der zu erwartenden Rezession – gerade für die Gebäudesanierung erhebliche Folgen“, da hier gleichzeitig das größte Potenzial zur Umsetzung der Energiewende liege: „Quantitativ wie qualitativ stellt die aber in Bestandsobjekten deutlich größere Herausforderungen an die handwerkliche Umsetzung, als dies bei Neubauten der Fall ist.“
Gebäudetechnik als Strukturgeber
Ob Neubau oder Bestandssanierung, in jedem Fall wird die energetische Effizienz eines Objektes ein zentraler Maßstab des Bauens – und die Gebäudetechnik deswegen in ihrer Rolle als wichtigster Strukturgeber eine neue Herangehensweise in der Planung weiter zwingend forcieren, machte Professor Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck von der RWTH Aachen University im Rahmen der Podiumsdiskussion deutlich: „Im Sinne einer ressourcenschonenden Projektqualität wie einer effizienten Projektabwicklung gilt es, die Kollaboration zwischen den einzelnen Gewerken zu definieren und zu verbessern. Zudem müssen wir über einen vorgeschalteten digitalen Prozess zu einer Zusammenarbeit der Baubeteiligten kommen, der sich über alle Leistungsphasen der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) erstreckt, aber ganz vorne beginnt.“ Wie das in der Praxis funktioniere, zeige das Beispiel der „Viega World“ als wichtiger Meilenstein in der Entwicklung von BIM: „Mit der Gebäudetechnik als wichtigstem Strukturgeber wurde eine vollkommen neue Herangehensweise in der Planung etabliert. Dies führte auch in den beteiligten Planungsbüros zur Einführung neuer Organisationsformen. Das Projekt hat damit eine Vorbildfunktion, insbesondere für eine fundierte Bedarfsplanung und Projektentwicklung. Bereits vor Beginn der eigentlichen Planung wurde ein gewerkeübergreifender Dialog gefordert, um integrale Zusammenhänge in Konzepten lösen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind inzwischen sogar schon erfolgreich auf andere Bauvorhaben im In- und Ausland übertragen worden.“
Bauherr in der Verantwortung
Welche (neue) Rolle dem Bauherrn und/oder Investor eines Bauprojektes zukommt, schilderte Ulrich Zeppenfeldt, bei Viega Vice President Global Service & Consulting und damit der zuständige Betreiber der „Viega World“: „Die erste entscheidende Frage an alle Bauherrn wird in Zukunft lauten, welche Anforderungen sie an das Gebäude – zum Beispiel Energieeffizienz – stellen und wie sie es nutzen werden. Bei der ,Viega World‘ sind wir Bauherr, Investor und Betreiber in Personalunion – und aus jeder dieser Rollen ergibt sich eine andere Perspektive auf das Projekt. Entsprechend umfassend waren die Anforderungen an uns in der Phase der Bedarfsplanung, auf deren Qualität letztlich die konsequente Anwendung der BIM-Methodik im digitalen Bauprozess basiert. Die ,Viega World‘ zeigt dabei eindrücklich, wie wichtig eine solche, möglichst dezidierte Bedarfsplanung im Vorfeld für eine erfolgreiche Umsetzung des gesamten Bauvorhabens ist, und zwar bis in die spätere Betriebsphase hinein.“
Denn gerade die Betriebsphase spielt eine entscheidende Rolle, wenn es wie bei diesem Großprojekt um die immer wichtiger werdende Frage der Energieeffizienz geht. „Nach der Bauphase entstehen wesentliche CO2-Emissionen im Gebäudebetrieb“, so Marius Bucur, Chief Strategy Officer bei Viega: „Deswegen wurde von uns die Forderung nach möglichst effizienten und nachhaltigen Energieversorgungsmöglichkeiten genauso aus ökologischen wie aus ökonomischen Gründen gestellt. Unser Ziel war es, eine prozessuale Expertise zu entwickeln, die Bauen als eine große Chance begreift, Leben und Arbeiten zukünftig deutlich stärker als bisher in Einklang mit Nachhaltigkeit zu bringen.“
Mit großem Erfolg, denn schon in der Planungsphase hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) die „Viega World“ für ihre technische und ökologische Qualität mit einem Platin-Zertifikat ausgezeichnet.
Klares Projektmanagement notwendig
Um die Anforderungen an ein Gebäude von der Größe und dem Nutzungsprofil der „Viega World“ derart erfolgreich zusammenzuführen und zu erfüllen, bedarf es neben der ambitionierten Ziele des Bauherrn, der detaillierten Bedarfsbestimmung und der konsequenten Umsetzung durch eine Integrale Planung mit der Arbeitsmethodik BIM eines damit eng verwobenen Projektmanagements, das die Rollen und Zuständigkeiten der unterschiedlichsten Baubeteiligten abgleicht und in Deckung zu bringen weiß, beleuchtete Professor Dr.-Ing. Norbert Preuß (Geschäftsführender Gesellschafter Preuss Project Partner) eine weitere, entscheidende Seite der Zukunft des Bauens: „Bei der Realisierung eines solchen Großprojektes ist man eigentlich immer mit unterschiedlichsten Krisenszenarien konfrontiert, die sich über den Baufortschritt und die Schnittstellen der Gewerke nahezu zwangsläufig ergeben. Durch die in dieser Konsequenz noch vergleichsweise junge Herangehensweise über eine Integrale Planung mit der Arbeitsmethodik BIM waren und sind also mehr denn je agile Managementmethoden gefragt, um diese Szenarien aufzulösen. Das kann beispielsweise geschehen, indem man die Digitalisierung der Prozesse mit BIM als Teilmenge des Gesamtprojektes aufnimmt und dann interaktiv in den Projektablauf einbindet. Dadurch entstehen ganz neue Kollaborations- oder Beschaffungsmodelle für Ausführungsleistungen, die es in dieser Form bislang noch nicht gab. Und die es auch bei keinem Folgeprojekt geben wird, weil wir immer weniger nach Standards arbeiten werden ... Das nachhaltige Bauen von morgen erfordert also intelligente Konzepte – und ein ganz neues Denken!“
Zukunft des Bauens erfordert neue Herangehensweisen
Die thematisch breite Podiumsdiskussion machte überdeutlich: Die Baubranche steht vor umwälzenden Veränderungen, die es in dieser Intensität seit Jahrzehnten nicht gegeben hat. Viele etablierte Prozesse kommen eher heute als morgen auf den Prüfstand, weil sie nicht mehr den Anforderungen gerecht werden, die künftig an ein wirtschaftlich tragfähiges, nachhaltiges Bauen gestellt werden. Alle Baubeteiligten sind daher gefordert, sich möglichst frühzeitig auf diese unglaublich dynamische Entwicklung einzustellen. Das betrifft zum einen die Art der Zusammenarbeit, weg von den Einzelgewerken hin zur Kollaboration. Zum anderen wird sich die gesamte Prozesssteuerung ändern, die zumindest bei Großprojekten konsequent vom ersten Planungsgedanken an digitalisiert und entlang eines digitalen Zwillings baubegleitend fortgeschrieben wird.
Diese Veränderungen, machte die Expertenrunde und der anschließende Meinungsaustausch deutlich, sind zwar in Einzelfällen mit großen Herausforderungen und Anpassungsmaßnahmen verbunden. Gleichzeitig bieten sie für die Baubranche in der Langfristperspektive zahlreiche Chancen, das Bauwesen auf eine neue, nachhaltigere Qualitätsstufe zu heben. Das betrifft sowohl den Einsatz begrenzter Rohstoffe für den Bau oder die Sanierung von Objekten als auch beispielsweise den Energiebedarf von Gebäuden in der Betriebsphase. Hinzu kommt eine soziokulturelle Komponente, die letztlich zu einem deutlichen Zugewinn an Lebensqualität für die Nutzer dieser Objekte führt