Heiztechnik wird immer effizienter, die Heizungen aber immer älter - die Energiewende in deutschen Haushalten kommt nicht voran. Nur 20 % aller Heizgeräte in deutschen Kellern entsprechen dem aktuellen Stand der Technik, dadurch entweicht bei über 5 Mio. alten Heizanlagen jeder dritte Cent ungenutzt durch den Schornstein. Dabei wäre der Austausch veralteter Heizanlagen die wirtschaftlichste und kosteneffizienteste Modernisierungsmaßnahme überhaupt. Denn durch die Beschleunigung von Heizungsmodernisierung, neue Heiztechniken und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ließen sich die Treibhausgasemissionen des deutschen Wohnungssektors bis 2030 um rund 30 % reduzieren.
Das sind die wichtigsten Erkenntnisse der gemeinsamen Hauswärme-Studie, die Shell und der Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) in Zusammenarbeit mit dem Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und dem Institut für Technische Gebäudeausrüstung (ITG) unter dem Titel "Klimaschutz im Wohnungssektor – Wie heizen wir morgen?" Fakten, Trends und Perspektiven für Heiztechniken bis 2030 erstellt haben.
Die Studie setzt ihre Schwerpunkte zum einen in die Analyse der Potenziale neuer Heiztechniken und Energien und in die Untersuchung wie sich Heiztechniken – neben Gebäudesanierung – im Wohnungssektor in den kommenden 20 Jahren entwickeln und welche Beiträge sie zu Energie- und Klimazielen der Politik leisten können. Hierbei werden Alternativszenarien mit ambitionierten politischen Rahmenbedingungen entwickelt und aktuelle Trends (Trendszenario) fortgeschrieben. „Ohne Effizienzgewinne im Hauswärmebereich können die Energie- und Klimaziele nicht erreicht werden und ist die Energiewende nicht zu schaffen“, machte Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt, Shell Deutschland bei der Vorstellung der Studie in Hamburg deutlich. Zur Beschleunigung der Heizungsmodernisierung haben Shell und BDH hieraus einen 10-Punkte-Plan entworfen.
Im Bereich des Wohnungssektors steigt mit der Zahl der Haushalte auch die Zahl der Wohnungen - von heute 40,3 Mio. auf 41,9 Mio. Wohneinheiten im Jahr 2030, vor allem in Ein- und Zweifamilienhäusern. Über 70 % der Wohnfläche sind vor 1979 erbaut. Oftmals genügen diese nur geringen Gebäudeeffizienzstandards.
Einer der großen Endverbrauchssektoren ist der Haushaltssektor - mit einem Endenergieverbrauch von 625 Mrd. kWh sowie einem Anteil von rund 25 %. 71% des häuslichen Energieverbrauchs werden für Raumwärme und 14,5 % für Warmwasser benötigt.
„Die Modernisierung häuslicher Wärmeerzeuger liegt seit 2007 bei nur etwa 3 % pro Jahr. Hält das geringe Modernisierungstempo an, wird ein Großteil der Heizungen im Jahr 2030 über 30 oder gar 40 Jahre alt und entsprechend ineffizient sein“, unterstrich Andreas Lücke, Hauptgeschäftsführer des BDH. Dabei seien von den aktuell 21,3 Mio. Wärmeerzeugern schon 2,7 Mio. über 25 Jahre alt. Im heutigen Heizungsbestand befänden sich
noch rund 2,5 Mio. Gas- und Öl-Standardkessel, obwohl sie seit etwa 15 Jahren nicht mehr eingebaut werden dürften. Dem Stand der Technik entsprechen nur ganze 20 % aller Heizgeräte in deutschen Kellern.
Die Anzahl der Heizenergieträger und damit auch die der Heiztechnik wird sich bis 2030 zunehmend diversifizieren. Heute sind es 86 % aller Wärmeerzeuger in Wohngebäuden Gas- oder Öl-Heizkessel. Die Zahl alternativer bzw. erneuerbarer Wärmeerzeuger – wie Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung oder Holzfeuerungen – wird sich von heute weniger als 3 Mio. auf 6,3 Mio. mehr als verdoppeln. Solarwärmeanlagen könnten sich von heute 1,6 Mio. auf über 7 Mio. fast verfünffachen.
Mit der Zunahme alternativer bzw. neuer Heiztechniken wächst auch der Anteil erneuerbarer Energien am Heizenergieträgermix. Bis 2030 könnte der Anteil erneuerbarer Energien von heute 12,5 % auf 24-31 % ansteigen. Der mit Abstand bedeutendste erneuerbare Energieträger ist und bleibt Holz, jedoch gewinnen Solarwärme und Umweltwärme immer mehr an Bedeutung. Umweltwärme wird der Umgebung durch Wärmepumpen entzogen und dann zur Beheizung genutzt.
Trotz allem werden auch im Jahr 2030 zentrale Gas- und Öl-Heizkessel das Rückgrat der Hauswärmeversorgung stellen. Ihr Anteil an den zentralen Hauswärmeerzeugern fällt von 86 % leicht auf 81 % (Trend) bzw. deutlich auf 72 % (Alternativ) im Jahr 2030. Dabei wird sich die Zahl der Brennwertgeräte von heute 4,1 Mio. auf 10,6 Mio. (Trend) bzw. 11,7 Mio. (Alternativ) nahezu verdreifachen. Gegenüber veralteten Bestandstechnologien nutzt die Brennwerttechnik ihre Brennstoffe nahezu 100 % und ermöglicht dadurch Energieeinsparungen bis zu 35 %. „Brennwerttechnik wird bis 2030 Schlüsseltechnologie bleiben. Systeme, die zusätzlich erneuerbare Energien einkoppeln, werden stark an Bedeutung gewinnen,“ führte Lücke aus.
„Im Trend sinken der jährliche Endenergieverbrauch um 14,5 % und die jährlichen Treibhausgasemissionen um 22 %. In den beiden Alternativszenarien geht der Endenergieverbrauch um 18 % bzw. 23 % zurück, die Treibhausgasemissionen um 31 % bzw. 36 %“, sagte Shell Experte Adolf. Hiermit könnten zwar alle Zwischenziele der Energie- und Klimapolitik erreicht werden, man bliebe allerdings von einem klimaneutralen Wohnungsbestand im Jahr 2030 noch deutlich entfernt.
„Um die Ziele der Energiewende im Hauswärmesektor zu erreichen, müssen deutlich mehr Heizungen modernisiert werden“, unterstrich Andreas Lücke. Planungssicherheit für die Haushalte zu schaffen und dabei realistische Ziele anzustreben, sei von zentraler Bedeutung. Die Akzeptanz der Verbraucher müsse sichergestellt werden und verordnete Maßnahmen von der Politik auf das Wirtschaftlichkeitsgebot angepasst werden.