Noch vor wenigen Jahren wusste kaum jemand etwas mit dem Begriff „App“ anzufangen. Aktuell wird nicht nur die Branche, sondern der gesamte Markt mit neuen Apps quasi geflutet. Ganz Mutige sagen sogar das Ende des klassischen Desktop-PC mit seinem stationär geprägten Angebot voraus. Über die Perspektiven der mobilen Anwendung von Software-Lösungen auf Tablets und Smartphones sprachen wir mit Andreas Christmann, Leiter Produkt und Marketing bei Vaillant Deutschland.
Andreas Christmann, Leiter Produkt und Marketing bei Vaillant Deutschland: „In der Kundenberatung sind Tablets aus unserer Sicht mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil geworden.“
Die Fernsteuerung und -parametrierung von Heizanlagen per App erlaubt dem Endkunden einen jederzeitigen Zugriff auf seine Heiztechnik.
In der Modernisierungs-App werden Immobilienbesitzer anschaulich und interaktiv von der ersten Idee bis zum konkreten Vorschlag für eine energiesparende Modernisierung geführt.
Per Apps wie z.B. KundendienstAKTIV lässt sich von unterwegs schnell der Auftrag an den Werks-Kundendienst des Herstellers erstellen.
Die App auroPLAN kann auf einem Smartphone installiert werden und ist quasi immer in der Lage eine fundierte Beratung zur Planung von Solarthermie-Anlagen zu leisten.
Apps unterstützen durch individuelle Checklisten die zielgerichtete, sichere Inbetriebnahme. Bilder: Vaillant Redaktion: Das Angebot an Apps für Tablets und Smartphones ist für den Anwender kaum noch überschaubar. Wie bewerten Sie die Handhabbarkeit von mobilen Software-Lösungen für die Branche?
Christmann: Wir haben die Entwicklung von Apps von den Anfängen bis heute begleitet. Kritisch, aber immer das Potenzial im Auge unseren Partnern im Fachhandwerk, der Fachplanung und den Endkunden zeitgemäßen und oft auch innovativen Mehrwert zu bieten.
Doch sollte unserer Ansicht nach derzeit hinterfragt werden, was über einen Tablet-PC nach derzeitigem Stand der Technik machbar ist und was nicht. Tablets sind niemals in den Markt gekommen, um kurzfristig PCs zu ersetzen. Sie waren dafür gedacht schnell eine Information mobil verfügbar zu haben, unterwegs in das Internet gehen oder E-Mails abrufen bzw. verschicken zu können. Derzeit wird versucht, vollwertige Tastaturen und Drucker in die Tablet-Umgebung einzubinden. Damit überschneiden wir uns relativ rasch wieder mit der Funktionalität von Laptops und es mus zurecht gefragt werden, ob das zielführend ist.
Redaktion: Aber bieten Tablets nicht deutlichen Mehrwert – gerade in der Beratung und Planung vor Ort beim Kunden?
Christmann: In der Kunden-Beratung sind Tablets aus unserer Sicht mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil geworden. Unser eigener Kundendienst nutzt Tablets genauso wie unsere Verkaufsberater auf Messen. In puncto Planung sehe ich derzeit noch ein begrenztes Potenzial – das natürlich aber je nach technischer Entwicklung weiter deutlich ausbaufähig sein wird. Hier spielen einfach u. a. die Rechnerleistungen und Bildschirmgrößen eine wesentliche Rolle. Wir analysieren ständig die jeweils verfügbare Technik und die technischen Möglichkeiten, die sich unseren Kunden dadurch über entsprechende Apps bieten könnten.
Redaktion: Sie gehen also generell davon aus, dass sich das System Tablet und App weiter entwickeln und auch neue Perspektiven bieten wird?
Christmann: In jedem Fall! Sowohl ein Tablet als auch Apps stehen für eine einfache, unkomplizierte Umsetzung von Aufgaben und passen damit in die heutige Zeit mit ihren immer umfassenderen Aufgabenspektren sowohl für Fachhandwerker als auch für Fachplaner. Das fängt doch schon bei der Installation an. Leidgeprüfte Windows-Nutzer wissen, was sie erwarten kann, wenn eine Software installiert wird. Die Installation einer App läuft vollautomatisch ab und der Nutzer kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Dazu sind die Möglichkeiten der Aktualisierung natürlich ohne Frage ein Pluspunkt.
Redaktion: Wo ziehen Sie derzeit die Grenzen in der Anwendung? Auch Sie bieten Apps von der Endkundenberatung bis hin zur Planung an.
Christmann: Die Grenzen verlaufen fließend und es muss für jede Anforderung geprüft werden, ob eine App sinnvolle Unterstützung bietet oder nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere App „Projekterfassungsbogen“. Sie stellt eine einfache und sinnvolle Ergänzung des Beratungsgespräches beim Endkunden dar und gewährleistet, dass tatsächlich das jeweils individuell beste Heizsystem für die objektspezifischen Bedingungen ausgewählt wird. Gleichzeitig bieten die Fragestellungen in der App keinen Raum dafür, dass beim Beratungsgespräch wichtige Eckdaten vergessen werden könnten. Schritt für Schritt werden nachvollziehbar Alternativen ein- oder ausgeblendet.
Das ist eine Herangehensweise an das Thema Planung einer Heizanlage, die logisch durchdacht ist und sowohl dem Endkunden als auch dem Fachpartner die Perspektive bietet, wirklich an alles gedacht zu haben. Gleichzeitig kann diese App auch noch die Bestellfunktion für das Fachhandwerk übernehmen. Das erspart nachhaltig Zeit und Kosten. Das Ganze funktioniert sowohl on- als auch offline beim Kunden, weil prinzipiell alle Daten in der App zur Verfügung stehen. Sobald der Nutzer wieder online geht, hat er dann die Möglichkeit die Daten zur weiteren Bearbeitung an unsere Kundenforen zu übertragen.
Redaktion: Aber sehen Sie Apps auch schon derzeit als ernsthafte Planungsinstrumente an? Beispielsweise Ihre App auroPLAN für die Planung von Solaranlagen.
Christmann: Die App „Projekterfassungsbogen“ ist für uns genauso wie die App auroPLAN ein vollwertiges Planungsinstrument. Die Frage ist immer, welche Möglichkeiten die App in Verbindung mit der Leistungsfähigkeit des Tablets zur Verfügung stellen kann. Schauen wir uns doch – weil Sie sie gerade angesprochen haben – einmal die App auroPLAN an. Unser Fachhandwerkspartner kommt zum Kunden, der ihn auf die Möglichkeit anspricht, eine Solarthermieanlage auf seinem Gebäude einzusetzen. Trifft das den Fachhandwerker unvorbereitet, kann er dem Endkunden nur vage Angaben machen, die er im schlimmsten Fall bei einem späteren Termin widerrufen muss.
auroPLAN kann er auf seinem Smartphone installieren und ist damit quasi immer in der Lage eine fundierte Beratung zu leisten. Beim Start von auroPLAN wird der per GPS-Sensor ermittelte Standort angezeigt. Parallel dazu werden die für diesen Ort hinterlegten Klima- und Solareinstrahlungsdaten geladen. Daneben werden - je nach Ausrichtung des Smartphones - permanent aktuelle Werte für Neigung und Himmelsrichtung dargestellt. Schließlich wird die daraus resultierende solare Einstrahlung ermittelt und angezeigt.
Über das Vorschaufenster der Kamera, die parallel geöffnet wird, kann der Benutzer das gewünschte Dach anpeilen. Durch die Neigung des Telefons und das damit verbundene Fluchten mit der Dachschräge sowie der Senkrechten auf dem Screen wird die Dachneigung ermittelt. Im nächsten Schritt kann der Benutzer die Himmelsrichtung der geplanten Solaranlage bestimmen. Dazu stellt er sich mit dem Rücken zur Hauswand unter die infrage kommende Dachseite.
Anschließend wird die Anzahl der Personen eingegeben, die künftig die Solaranlage nutzen. Hierbei reicht das Spektrum von einem bis zu 24 Hausbewohnern. Dadurch lässt sich die App sogar für Mehrfamilienhäuser einsetzen. Dann wird der Typ der Anlage festgelegt: Wird nur Warmwasser- oder auch Heizungsunterstützung gewünscht? Dafür bieten wir bei jedem Screen Infotasten an, unter denen sich weiterführende Erläuterungen abrufen lassen. Wird z. B. solare Heizungsunterstützung ausgewählt, enthält die vorgeschlagene Anlagenkonfiguration auch gleich die richtigen Systemkomponenten wie den passenden Kombispeicher und die entsprechende Regelung. Im Hintergrund der Software findet also bereits eine Vorsystemkonfiguration statt, die hilft, Planungsfehler zu vermeiden.
Im Anschluss wird der Anlagenvorschlag dargestellt und parallel eine Fülle an Daten angezeigt. Dazu zählen z. B. die Solareinstrahlung, der Solarertrag und die eingesparten CO
2-Mengen. Nehmen Sie das alles zusammen, dann haben Sie eine perfekte Planung vorliegen – alles über eine App und ein Smartphone oder ein Tablet.
Redaktion: Welche Schwerpunkte sehen Sie neben der Aufgabe als Planungsinstrument noch für Apps in der Branche?
Christmann: Wir haben hier insbesondere das breite Aufgabenfeld der Beratung als besonders relevant und hilfreich bewertet – sowohl für unsere Fachhandwerkspartner als auch für die Endkunden. Zum einen haben wir hier Apps, mit denen der Fachhandwerker das Beratungsgespräch beim Kunden aufbauen und gestalten kann, zum anderen kann der Endkunde sich mit unseren Apps auch selber einen Überblick über seine Modernisierungsmöglichkeiten verschaffen.
Auch hierzu ein gutes Beispiel: Unsere Modernisierungs-App führt Immobilienbesitzer anschaulich und interaktiv von der ersten Idee bis zum konkreten Vorschlag für eine energetische, energiesparende Modernisierung ihres Hauses. Wir kombinieren mit unserer App Fakten mit spannenden Funktionen, Videos und Spielen – auch für Kinder. Gleichzeitig erfahren die Nutzer, was eine energetische Modernisierung bringt und wie hoch die Einsparpotenziale sind. Über die Fördermittelsuche findet er alle für ihn relevanten Förderprogramme. Beantwortet werden auch komplexe Fragen zum Gebäudeenergiepass, der EnEV oder dem Energiemarkt.
Redaktion: Ist die Nachfrage nach den Apps aus der Branche denn vorhanden oder gehen Sie pro-aktiv auf Fachhandwerker zu?
Christmann: Die Nachfrage ist in jedem Fall vorhanden. Das sehen wir alleine anhand der jeweils aktuellen Downloadzahlen unserer Apps. Auch unser eigenes Vertriebsteam arbeitet wie bereits angesprochen immer mehr mit Tablets und Apps. Gleichzeitig gehen wir natürlich auf unsere Kunden zu und diskutieren, welche Dienstleistung oder welcher Service eine ideale Ergänzung für das Tagesgeschäft bieten könnte. Und da spielen Apps eine immer größere Rolle.
Generell sehen wir stets das jeweilige Datenvolumen als limitierenden Faktor. Dabei müssen wir aber – wie bereits angeführt – ständig die technische Entwicklung im Auge behalten, sowohl im Tablet- als auch im Mobilfunkmarkt z. B. mit dem neuen Übertragungsstandard LTE, der Daten deutlich schneller übertragen wird.
Wir sehen auch, dass künftig deutlich komplexere Anwendungen wie unser Planungstool planSOFT auf einem Tablet verwendbar sein werden. Dafür benötigen wir aber nicht nur die entsprechende Leistungsfähigkeit des Rechners, sondern auch eine leistungsfähige Datenbank- und Web-Technologie. Künftige Versionen von planNET richten wir bereits heute auf diese Technik aus. Hierbei wird dann ein ständiger Zugriff auf das Internet erforderlich sein. Dann können Teile der Software auf dem Tablet liegen und die jeweils benötigten Komponenten oder Angaben etc. schnell und vor allen Dingen immer aktuell aus einer Datenbank vom Server geladen werden. Das wird dann die nächste Generation an Tablets und Apps bilden, die wiederum neue und erweiterte Aufgaben übernehmen kann.
Redaktion: Herr Christmann, vielen Dank für das Gespräch.