Medikamente im Leitungswasser wurden erstmals vor über 20 Jahren nachgewiesen. Das diese im Trinkwasser nichts verloren haben ist eigentlich klar, doch wie schädlich die vermeintlich geringen Mengen sind, bleibt unklar.
Bis heute gibt es keine Grenzwerte für Arzneiwirkstoffe in der offiziellen Trinkwasserverordnung. Laut den Erfahrungen der Wasserexperten von Vitalhelden.de hegen viele Verbraucher mittlerweile Zweifel und sind verunsichert darüber wie gut es um unser Leitungswasser wirklich steht?Gerade in Ballungsgebieten sind Arzneiwirkstoffe im Leitungswasser regelmäßig nachweisbar
Ein bunter Cocktail an Wirkstoffen im Leitungswasser
Mehr und mehr Verbraucher haben Angst. Angst vor Stoffen, die in Trinkwasser absolut nichts zu suchen haben. Seien das Schadstoffe, Krankheitserreger oder Arzneimittel – die Vermutungen gehen in viele Richtungen. Doch nur Experten können darüber aufklären, wie es um Deutschlands Trinkwasser, das tagtäglich aus unseren Leitungen fließt, steht.
Verschiedene Forschungsprojekte geben die Antwort: Ja, das Trinkwasser in Deutschland ist belastet. Und das nicht einmal geringfügig. Rund 400 unterschiedliche Arzneiwirkstoffe konnten bei den Untersuchungen festgestellt werden. Diese wirken sich nicht nur schädlich auf den Menschen aus, sondern auch auf die Umwelt. Wie das?
Zum Beispiel findet man in deutschem Trinkwasser Antiparasitika für Tiere. Diese haben eine toxische Wirkung für Dung-Insekten. Und endokrine Wirkstoffe im Leitungswasser können das Hormonsystem von Tieren beeinflussen. Dies zeigt sich in abweichendem Verhalten hinsichtlich der Häutung oder etwa dem Paarungsverhalten.
Als besonders bedenklich gelten Antidepressiva und Schmerzmittel. Antidepressiva haben den negativen Effekt, dass sie sich bei Fischen im Gehirn anreichern. Das führt zu erheblichen Verhaltensänderungen. Schmerzmittel hingegen rufen bei zahlreichen Tieren Organschäden hervor.
Woher kommen die Belastungen mit Medikamenten?
Ist die Nutzung von Arzneimitteln in Deutschland einfach so groß oder entsorgen Verbraucher ihre Arzneimittel auf falschem Wege? Tatsächlich trifft beides zu, weshalb sich einiges ändern muss.
Der Jahresverbrauch von Arzneimitteln für Menschen in der Bundesrepublik wird auf rund 30.000 Tonnen geschätzt. Darunter befinden sich etwa 2.300 verschiedene Wirkstoffe, von denen 1.100 zwar als ungefährlich gelten, 1.200 jedoch umweltrelevant und potenziell gesundheitsschädlich sind.
Neben dem hohen Verbrauch an Arzneimitteln ist es auch die Entsorgung, die zu wünschen übriglässt. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass jeder zweite Verbraucher in Deutschland seine Medikamente unsachgemäß entsorgt. Und genau diese Rückstände sind es, die im Leitungswasser nachgewiesen werden können. Vor allem in Ballungsräumen ist das inzwischen sehr problematisch. Einige Experten vermuten sogar, dass sich durch dieses Phänomen multiresistente Mikroorganismen vermehren und Furchtbarkeitsstörungen verbreiten können.
Heiß diskutiert: Die 4. Reinigungsstufe
Aufgrund all dieser und noch mehr Auswirkungen, die Arzneimittel und andere Schadstoffe im Trinkwasser haben können, hat das Umweltbundesamt eine ganz klare Forderung: Es soll eine vierte Reinigungsstufe in den Kläranlagen her. Wie soll das in der Praxis aussehen?
Bei der konventionellen Technologie werden lediglich eine mechanische Reinigung vorgenommen sowie eine biologische Stufe. Darauf folgt eine Phosphat-Eliminierung. Nun wird überlegt, ob es nicht möglich wäre, durch eine zusätzliche Oxidation mit Ozon Chemikalien wie Arzneimittel effektiv aus dem Abwasser zu eliminieren.
Eine mögliche Alternative dazu stellt der Einsatz von Aktivkohlefilter da, die die Chemikalien adsorbieren sollen. Es handelt sich bei den vorgeschlagenen Maßnahmen daher um eine gezielte Eliminierung der unerwünschten Stoffe. Laut Experten ist eine solche Veränderung dringend, da die Auswirkungen der Arzneimittel im Abwasser schwerwiegende Folgen haben.
Mögliche Lösungsansätze
Doch damit nicht genug: Eine weitere Klärstufe reicht nicht aus. Die Umweltbehörde fordert weiter und ist der Meinung, dass man schon viel früher ansetzen sollte. Es gilt, den Stoffeintrag ins Abwasser zu reduzieren. Denn gelangen gleich schon weniger Arzneimittel und andere Schadstoffe in das Wasser, ist die Belastung nicht so groß und die Reinigung kann auf noch effektivere Weise vorgenommen werden. Umgesetzt soll dies unter anderem dadurch werden, dass Pharmaunternehmen die Umweltdaten ihrer neuen Arzneimittel offenlegen. Außerdem können hier Verbraucher aktiv mithelfen: Sie sollten Arzneimittel niemals über Toilette oder Spüle entsorgen.
Und wie geht man bei Röntgenkontrastmitteln oder anderen Stoffen vor, die durch den Urin ausgeschieden werden? Ist es hier unvermeidlich, dass die Arzneimittel ins Wasser gelangen? Tatsächlich ist das keine Lösung, da sich diese Stoffe nicht einmal durch eine vierte Reinigungsstufe im Klärwerk entfernen lassen. Was daher als plausible Lösung erscheint, ist eine Urinseparation.
In einigen Krankenhäusern wurde dieses Konzept bereits ausprobiert. Hier suchen Patienten spezielle Trockenurinale oder Trenntoiletten auf, nachdem sie einer Röntgenbehandlung ausgesetzt waren. Bei ambulanten Patienten steht die Möglichkeit im Raum, Urinbeutel zur Verfügung zu stellen, die anschließend im Hausmüll entsorgt werden sollen.
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