Die Energiewende beschleunigt eine rasante Technologisierung der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärtechnik. Parallel steigen die Anforderungen an die Maschinensicherheit, weil immer mehr automatisierte Baugruppen - Pumpen, Verdichter, Brenner und Ventilstationen - vernetzt und kollaborativ arbeiten. Das Zusammenspiel aus Maschinenrichtlinie, harmonisierten Normen und digitaler Sensorik formt eine neue Sicherheitskultur, die als "Maschinensicherheit 2.0" bezeichnet wird.
Bild: HTD Sicherheitsleitplanken in der SHK-Branche
Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG bleibt bis zum Inkrafttreten der neuen EU-Maschinenverordnung 2023/1230 zentraler Referenzrahmen. Gerade im SHK-Anlagenbau definiert sie den Ausgangspunkt der Risikobeurteilung: Jede mögliche Gefährdung - etwa Heißflächen, drehende Ventilatorräder oder unkontrollierte Druckabfälle - wird systematisch identifiziert und bewertet. Aus der Analyse leitet sich eine mehrstufige Risikominderung ab, die erst organisatorische und zuletzt konstruktive Maßnahmen vorsieht. Das zugehörige Regelwerk umfasst harmonisierte Normen wie EN ISO 13849 für die sicherheitsbezogenen Teile von Steuerungen sowie EN ISO 12100 als Leitnorm für die allgemeine Konstruktion.
Mit zunehmender Vernetzung wandern diese Anforderungen aus klassischen Industriehallen in dezentrale Technikzentralen von Wohn- und Zweckbauten. Moderne Wärmepumpenstationen enthalten Frequenzumrichter, Remote-Diagnosemodule und kollaborative Service-Roboter, die bei der Wartung unterstützen. Dadurch entstehen Mischinstallationen, in denen traditionelle SHK-Komponenten auf komplexe Maschinenfunktionen treffen.
Innovative 3D-Sensortechnik erweitert Schutzräume
Eine der spannendsten Neuerungen der Jahre 2022 bis 2024 ist die 2023 vorgestellte "safeVisionary2"-Kamera von SICK. Sie gilt als weltweit erste sicherheitszertifizierte 3D-Time-of-Flight-Kamera (Performance Level c nach EN ISO 13849), die eigens für kollaborative Anwendungen in beengten Technikräumen entwickelt wurde. Mit 512 × 424 Pixel erfasst das System in Echtzeit volumetrische Daten, erkennt menschliche Körperkonturen und passt Schutzfelder dynamisch an. Während herkömmliche Lichtvorhänge oder Schutztüren starre Sicherheitszonen erzwingen, lässt sich per 3D-Sensor eine adaptive Schutzeinrichtung implementieren: Kommt eine Person dem laufenden Verdichter zu nahe, fährt dieser automatisch in einen sicheren Teillastbetrieb anstatt vollständig abzuschalten. Das verkürzt Stillstandszeiten, senkt Energieverluste und erhöht zugleich die Akzeptanz von Schutzmaßnahmen im Servicealltag.
Praxisbeispiel - modulare Komponenten erleichtern Konstruktion
Voraussetzung für einen sicheren Anlagenlebenszyklus bleibt der Einsatz geeigneter Schutzeinrichtungen. Zur Förderung der Maschinensicherheit finden sich bei spezialisierten Anbietern hochwertige Verriegelungsbolzen, Zuhaltungen und Positionsschalter, die als mechanische Basiskomponenten in vielen SHK-Aggregaten verbaut werden. Gekoppelt mit softwarebasierten Sicherheitsrelais wie dem 2021 eingeführten, frei konfigurierbaren "myPNOZ" lassen sich maßgeschneiderte Schutzkonzepte realisieren, ohne dass aufwendig programmierte Sicherheits-SPS nötig sind.
Vier Stichpunkte, die bei der Auswahl solcher Komponenten zu beachten sind:
- Kompatibilität mit den festgelegten Kategorien der Risikobeurteilung
- Zertifizierung nach einschlägigen Normen (z. B. EN ISO 14119 für Verriegelungen)
- Diagnosefähigkeit zur frühzeitigen Erkennung von Fehlfunktionen
- Möglichkeit zur Integration in vernetzte Wartungssysteme
Risikobeurteilung bleibt dennoch ein iterativer Prozess. Werden Anlagen nachgerüstet - etwa wenn eine Wärmepumpe einen alten Gasbrenner ersetzt -, ändern sich Lastkollektive, Temperaturprofile und damit die Gefährdungslage. Eine aktualisierte Dokumentation ist dann Pflicht, um die Konformitätserklärung aufrechtzuerhalten.
Regelwerke entwickeln sich ebenfalls weiter. Die EU-Maschinenverordnung lenkt den Fokus stärker auf KI-basierte Steuerungen und Cybersicherheit. Für SHK-Systeme bedeutet das, dass nicht nur mechanische Gefährdungen, sondern auch digitale Manipulationsrisiken zu adressieren sind. Secure-by-Design-Ansätze - verschlüsselte Kommunikationsprotokolle, signierte Firmware und rollenbasierte Zugänge - ergänzen klassische Schutzeinrichtungen und fördern damit ganzheitliche Maschinensicherheit.
Vom statischen Schutz zur adaptiven Sicherheit
Maschinensicherheit 2.0 verschiebt den Schwerpunkt von punktuellen Schutzbarrieren hin zu adaptiven und vernetzten Sicherheitsfunktionen. Die SHK-Branche profitiert doppelt: Einerseits lassen sich hoch effiziente Anlagen errichten, andererseits sinken Lebenszykluskosten dank vorausschauender Wartung und reduzierter Ausfallzeiten. Zentrale Bausteine bleiben die normkonforme Risikobeurteilung, ein fundiertes Regelwerk und robuste Schutzeinrichtungen. Die Integration innovativer 3D-Sensorik, wie sie seit 2023 verfügbar ist, zeigt jedoch, dass Maschinensicherheit längst nicht mehr nur mechanisch gedacht werden kann. Sie wird digital, vorausschauend und situativ - und damit zum Schlüssel für nachhaltige, sichere Technikzentralen der nächsten Generation.