Über Jahre galt das Handwerk als Branche mit Nachwuchsproblemen: zu wenige Bewerber, zu viele offene Ausbildungsplätze. Inzwischen kehrt das Interesse junger Menschen langsam zurück – getrieben vom Wunsch nach Sinn, Nachhaltigkeit und praktischer Arbeit. Immer mehr Jugendliche wollen etwas schaffen, das Bestand hat, und ihre Arbeit als unmittelbar wirksam erleben.
Michael Bendl
Bild: BM Digital GmbH Doch mit diesem neuen Interesse ändern sich auch die Erwartungen. Generation Z legt Wert auf Selbstverwirklichung, Beteiligung und Arbeitgeber, die ihre Werte leben – nicht nur bewerben. Sicherheit und Bezahlung bleiben wichtig, reichen aber nicht mehr aus. Betriebe, die ausschließlich auf traditionelle Ausbildungsmuster setzen, verlieren an Attraktivität, selbst wenn sie handwerklich exzellent sind.
Neue Erwartungen im Handwerk
Für junge Menschen bedeutet Arbeit heute mehr als Erwerbstätigkeit. Sie wünschen sich Freiräume, Mitgestaltung und Transparenz. Flexible Arbeitszeiten, eine Vier-Tage-Woche oder digitale Zeiterfassungssysteme schaffen Vertrauen und zeigen Wertschätzung. Ebenso selbstverständlich ist der Einsatz moderner Technologien: Tablets auf der Baustelle, 3D-Planung oder digitale Projektkoordination stehen für Fortschritt und Anschluss an ihre Lebensrealität.
Gleichzeitig wollen Auszubildende verstehen, wofür ihre Arbeit steht. Sie suchen Sinn, Verantwortung und echte Entwicklungsperspektiven. Wer ihnen eigene Projekte überlässt, sie an Entscheidungen beteiligt oder sie in Social-Media-Aktivitäten einbindet, stärkt Motivation und Identifikation. Ergänzend dazu braucht es klare Strukturen durch individuelle Ausbildungspläne, Feedbackrunden und nachvollziehbare Aufstiegsmöglichkeiten.
Praxisbeispiele aus Betrieben
Viele Betriebe reagieren bereits auf diese Entwicklung. In der Elektrotechnik nutzen Unternehmen digitale Lernplattformen, auf denen Auszubildende Lernvideos abrufen, Aufgaben dokumentieren und Fortschritte festhalten. Das fördert Selbstständigkeit und Transparenz. Auch im Azubi-Marketing setzt sich Neues durch: Junge Mitarbeitende zeigen auf Instagram oder TikTok ihren Berufsalltag – authentisch, nah und glaubwürdig. Das stärkt das Image und vermittelt potenziellen Bewerbern ein realistisches Bild.
Ebenso wichtig sind Mentorenmodelle. Erfahrene Gesellen begleiten neue Kollegen, vermitteln Wissen und erleichtern den Einstieg. Diese persönliche Begleitung schafft Vertrauen und sichert zugleich Know-how im Betrieb. In Kombination mit regelmäßigen Rückmeldungen entsteht eine Kultur, in der Lernen und Weiterentwicklung selbstverständlich sind.
Kommunikation als Erfolgsfaktor
Neben strukturellen Anpassungen braucht es auch neue Formen der Ansprache. Generation Z erwartet direkte, digitale und wertschätzende Kommunikation. Wer Bewerbungen wochenlang unbeantwortet lässt oder ausschließlich telefonisch erreichbar ist, verliert Talente frühzeitig. Schnelle Rückmeldungen, klare Informationen und ein offener Dialog auf Social Media gehören heute dazu.
Zugleich ist die Wertekommunikation entscheidend. Junge Menschen achten darauf, ob Betriebe tatsächlich das leben, was sie versprechen, beispielsweise ob Nachhaltigkeit, Teamgeist oder Respekt im Alltag sichtbar werden. Diese „weichen“ Faktoren sind längst harte Entscheidungskriterien bei der Wahl des Arbeitgebers.
Zukunft gestalten statt verwalten
Das Handwerk erlebt einen Aufbruch, doch Erfolg hängt davon ab, wie gut Betriebe auf die neuen Bedürfnisse eingehen. Ausbildung muss heute erlebbar, digital und werteorientiert sein. Sie soll Wissen vermitteln, aber auch Begeisterung wecken – für das Handwerk und für eine Arbeitswelt, die Sinn, Technik und Gemeinschaft verbindet.
Wer Generation Z versteht und ihr Verantwortung überträgt, gewinnt nicht nur Auszubildende, sondern engagierte Mitgestalter. Damit kann das Handwerk seine größte Stärke – die Verbindung von Tradition und Zukunft – neu entfalten.
Über Michael Bendl:
Michael Bendl ist Geschäftsführer der BM Digital GmbH und unterstützt Handwerksbetriebe im Social-Recruiting. Er entwickelt digitale Strategien, um die Sichtbarkeit seiner Kunden zu erhöhen und passende Fachkräfte zu gewinnen. Dabei setzt er auf Werbekampagnen, Social-Media-Marketing und den gezielten Einsatz von Videobeiträgen. Mehr Informationen unter: https://www.bewerber-magnet.de/