Letzte Woche hat das Abgeordnetenhaus von Berlin des Schneller-Bauen-Gesetz (SBG) verabschiedet. Es soll noch bis Ende Dezember 2024 in Kraft treten. Ziel ist weiterhin, den prognostizierten Bedarf an etwa 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr für Berlin durch verschiedene Maßnahmen zu beschleunigen.
Bild: pixabay.com / AlLes In der Gesetzesvorlage für das Abgeordnetenhaus Berlin hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (Senatsverwaltung) – Wohnungsbauleitstelle – formuliert: „Angesichts der aktuellen Krise im Wohnungsbau wird die Umsetzung der Wohnungsbauziele jedoch zunehmend schwieriger. Verantwortlich hierfür sind unter anderem steigende Grundstücks-, Finanzierungs- und Baukosten, fehlende Fachkräfte und abnehmende Flächenpotentiale. Ebenso verhindern aber auch komplexe rechtliche Vorgaben, eine z.T. uneinheitliche Rechtsanwendung, Reibungsverluste zwischen den Verwaltungsebenen sowie fehlende Fristen- und Prioritätensetzungen eine wirtschaftliche und zügige Realisierung von Bauvorhaben in Berlin.“ (Hervorhebung durch den Verfasser)
Die Vereinfachung dieser komplexen Vorgaben soll u.a. die Einführung neuer Fristen, die Neuregelung von Zuständigkeiten und die Privilegierung des Wohnungsbaus bewirken, in Teilen auch die Angleichung an Bundesrecht. Der Umsetzung dieser Ziele soll etwa die Frist von einem Monat dienen, innerhalb derer bei landesinternen Beteiligungen Behörden „regelmäßig“ nach Eingang eines „vollständigen“ Stellungnahmeersuchens schriftlich Stellung zum Vorhaben nehmen sollen.
Dazu Sven Häberer, Spezialist für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Müller Radack Schultz: „Bereits in den beiden Begriffen steckt aber der erste Ansatz für Verzögerungen. Was ist die Regel und wann sind Stellungnahmeersuchen vollständig?”
Ähnlich verhält es sich mit der Möglichkeit der Senatsverwaltung, bei Gefährdung „dringender Gesamtinteressen Berlins“ in das Genehmigungsverfahren einzugreifen. Das soll künftig bei „unmittelbaren und mittelbaren“ Beeinträchtigungen möglich sein. Außerdem werden die vorhandenen Beispielsfälle für ein Gesamtinteresse Berlins z.B. durch „gesamtstädtisch bedeutsame(n) Kompensationsmaßnahmen bei städtebaulichen Vorhaben“ ergänzt.
„Die Aufnahme von Beispielen sorgt indes kaum für eine Verdeutlichung der Eingriffsmöglichkeiten. Aller Voraussicht nach werden erneut die Gerichte die Definition der gesamtstädtischen Bedeutung vornehmen müssen“, kommentiert Häberer.
Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach § 63 BauO Bln, das für einige Vorhaben eine nur eingeschränkte Prüfung von Anforderungen vorsieht, wird um fünf Ziffern mit neuen Prüfungsinhalten ergänzt. Häberer ist sich sicher: „Es ist schwer vorstellbar, dass durch eine Ausdehnung der Prüfkriterien eine Beschleunigung des ´vereinfachten´ Baugenehmigungsverfahrens erreicht werden wird.“
Unter § 12 Denkmalschutzgesetz Berlin wird ein neuer Abs. 1a eingefügt. Dieser verpflichtet die zuständige Behörde, innerhalb von vier Wochen nach Erhalt eines Antrages z.B. auf Genehmigung der Veränderung des Erscheinungsbildes eines Denkmals zu prüfen, ob dieser Antrag vollständig ist oder Mängel aufweist. Ist der Antrag unvollständig oder weist er sonstige schwerwiegende Mängel auf, so ist die Behörde verpflichtet, „unverzüglich“ den Antragsteller[1] zur Behebung der Mängel/Vervollständigung aufzufordern. Hierbei ist dem Antragsteller eine „angemessene“ Frist zu setzen. Werden die Mängel nicht fristgerecht behoben, gilt der Antrag als zurückgenommen.
„Das ist verständlich, lässt aber dank der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe erneut einen großen Spielraum. Denn was ist ´unverzüglich´ bei Personalknappheit. Auch die weitere Regelung, dass ein vollständiger Antrag innerhalb von drei Monaten von der Behörde zu bescheiden ist, dürfte an der bisherigen Praxis bei fristgebundenen Entscheidungen der Behörde nichts ändern“, führt Häberer aus. „Diese ist versucht, Unterlagen nachzufordern, weil der Antrag vermeintlich nicht vollständig ist. Welche Unterlagen aber zur Vollständigkeit des Antrags erforderlich sind, regelt das Gesetz nicht. Diese ergeben sich aus Formblättern der Bezirksämter, werden aber in der Praxis immer wieder von den Behörden durch Forderung nach weiteren Unterlagen ergänzt. Die Praxis der Ämter ist von Bezirk zu Bezirk verschieden.“
Die Entscheidung über Widersprüche in bedeutsamen Baugenehmigungsverfahren unterfällt schon jetzt der Zuständigkeit der Senatsverwaltung. Mit dem SBG soll unter § 88 BauO Bln ein Absatz 2 eingefügt werden, nach dem immer dann, wenn die Entscheidung über den Widerspruch eine Beteiligung innerhalb des Landes Berlin erfordert, die fachlich betroffenen Senatsverwaltungen anstelle der Bezirksverwaltungen beteiligt werden. Die Bezirke befürchten, dass hierfür die Senatsverwaltungen Personal abwerben könnten.
Das SBG als Artikelgesetz enthält durchaus Vereinfachungen für die Genehmigung von Bauvorhaben, es enthält auch einige Regelungen, die die Zuständigkeiten für Genehmigungs- oder Widerspruchsverfahren bei der zuständigen Senatsverwaltung bündeln. Wer aber gewährleistet, dass dort ausreichende personelle Mittel für die Umsetzung der Zuständigkeitszuwächse vorhanden sind und die aktuellen Bearbeitungszeiten verkürzt werden? Die Einführung neuer so genannter unbestimmter Rechtsbegriffe oder von Fristen, die durch weiteren Aufklärungsbedarf gestreckt werden können, lässt befürchten, dass das SBG seine Ziele nicht oder jedenfalls nicht in dem gewünschten Ausmaß erreichen wird. Das Gesetz soll Ende Dezember 2024 in Kraft treten. Es bleibt abzuwarten, ob und gegebenenfalls wann es spürbare Erfolge auslösen wird”, resümiert Häberer.
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
Müller Radack Schultz Rechtsanwälte Partnerschaft mbB:
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