An dieser Stelle bringen wir einmal monatlich aktuelle Urteile rund um Bauen, Handwerk und Immobilien. Sie enthalten immer die Quelle sowie eine kurze Einschätzung durch unsere Redaktion, welche Folgen diese Urteile haben und welche Konsequenzen sich daraus für unsere Leser ableiten könnten. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass dies keine Rechtsberatung ist. Für weitergehende Fragen zu diesen Urteilen können zugelassene Personen nach Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) kontaktiert werden.
Bild: pixabay.com / AJEL Weniger Arbeit muss nicht automatisch weniger Honorar bedeuten, wie unser erster Fall heute zeigt.
Nicht unbedingt weniger Honorar bei weniger Arbeit
Bei einer Vollbeauftragung führt die Nichterbringung von Teilleistungen nicht automatisch zu einer Honorarminderung, sondern nur dann, wenn der Auftraggeber einen entsprechenden Mangelanspruch darlegen und beweisen kann. Der Auftraggeber hat die Vereinbarung einer verbindlichen Baukostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung darzulegen und zu beweisen. Die bloße Mitteilung eines geplanten Einzugstermins begründet keine Vereinbarung eines verbindlichen Vertragstermins, so das OLG München (28 U 588/24 Bau vom 10. Juni 2024).
Die Vorinstanz, das Landgericht München II, hatte die Beklagte verurteilt, dem Architekten rund 23.000 Euro Honorar zu zahlen. Grundlage war ein bereits im Oktober 2020 mündlich geschlossener Architektenvertrag, der die Leistungsphasen 1 bis 3 sowie 5 bis 8 umfasste. Die Arbeiten endeten jedoch nicht wie geplant am 18. Dezember 2020, so dass die Leistungsphase 8 nur anteilig abgerechnet wurde; für die übrigen Phasen erkannte das Gericht die vollen Honorarsätze an. Die Einwände der Beklagten, der Architekt habe lediglich Teilleistungen erbracht, hielten nicht durch: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mindert eine nicht erbrachte Teilleistung das Honorar nur dann, wenn der Auftraggeber den Mangel darlegt und beweist – was hier nicht gelang.
Die Beklagte rechnete ihrerseits mit angeblichen Gegenforderungen auf – unter anderem wegen Baukostenüberschreitung, eines Privatgutachtens und verspäteter Fertigstellung. Diese Aufrechnungen ließ das Landgericht nicht zu. Es stellte fest, dass keine verbindliche Baukostenobergrenze vereinbart worden war, ein Ersatz der Gutachterkosten ohne Anspruchsgrundlage ausschied und die bloße Mitteilung eines gewünschten Einzugstermins keinen festen Vertragstermin begründet. Dem folgte nun auch das OLG.
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Manchmal sind Nachbarn doch sehr empfindlich, wie unser folgender Fall beweist.
Reflektierende Dachziegel müssen hingenommen werden
Glasierte Dachziegel sind grundsätzlich erlaubt. Ob ihre glänzende Oberfläche gegen eine örtliche Bauvorschrift verstößt, richtet sich nach der Empfindlichkeit einer durchschnittlichen Betrachterin oder eines durchschnittlichen Betrachters. Lichtreflexionen müssen Nachbarinnen und Nachbarn nur dann hinnehmen, wenn sie zumutbar sind. Dabei kommt es darauf an, wie schutzwürdig ihre Innen- und Außenbereiche sind. Außerdem spielt eine Rolle, ob sie ohne großen Aufwand übliche Gegenmaßnahmen ergreifen können – etwa Vorhänge, Jalousien, Hecken oder Rankgerüste. Selbst wenn Lichtspiegelungen lästig erscheinen, überschreiten sie in der Regel nicht die Grenze zur Rücksichtslosigkeit. Nur wenn außergewöhnlich starke Blendwirkungen vorliegen, kann die Dachdeckung unzulässig sein, so das OVG Niedersachsen (1 LA 156/24 vom 7. Mai 2025).
Die Klage eines Grundstückseigentümers auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nachbarn blieb auch in zweiter Instanz erfolglos. Der Kläger hatte beantragt, die Bauaufsichtsbehörde zu verpflichten, gegen eine aus seiner Sicht unzulässige Dacheindeckung vorzugehen. Das Gericht stellte fest, dass die verwendeten Dachziegel nicht gegen die örtliche Bauvorschrift verstoßen. Diese untersagt zwar „glänzende“ Dachpfannen, lässt aber matt engobierte Ziegel ausdrücklich zu. Nach Auffassung des Gerichts ist für die Beurteilung, ob eine Dachfläche als störend glänzend zu bewerten ist, auf die Wahrnehmung einer durchschnittlich empfindlichen Person abzustellen. Im konkreten Fall konnte der Einzelrichter bei einem Ortstermin keinen auffälligen Glanz feststellen. Auch der Hersteller der Ziegel hatte lediglich von einem „feinen Glanz“ gesprochen. Die Gemeinde hatte zudem im Vorfeld der Bauausführung bestätigt, dass die geplanten Dachziegel zulässig seien.
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Um Optik geht es auch im nächsten Urteil, hier wieder aus dem weiteren Bereich der Rechtsprechung zu erneuerbaren Energien und speziell zur Sichtbelästigung von Windkraftanlagen.
Auch tiefer liegende Windräder sind „optisch nicht bedrängend“
Die im Baugesetzbuch geregelte Regelvermutung zur optisch bedrängenden Wirkung von Windenergieanlagen gilt auch dann, wenn eine solche Anlage deutlich tiefer liegt als ein benachbartes Wohnhaus. Im entschiedenen Fall befand sich der Standort der Windenergieanlage rund 34 Meter unterhalb des Wohnhauses, was nach Auffassung des Klägers gegen eine bedrängende Wirkung spreche. Das OVG Nordrhein-Westfalen folgte dieser Argumentation nicht und stellte fest, dass der Höhenunterschied keine Ausnahme vom Regelfall des § 249 Absatz 10 Baugesetzbuch rechtfertigt (22 D 110/24 vom 13. Dezember 2024).
Auch das Verhältnis von Rotorradius und Nabenhöhe zur Gesamthöhe der Windenergieanlage hat nach Einschätzung des Gerichts keinen Einfluss auf die gesetzlich vermutete optische Wirkung. Entscheidend sei allein die Gesamthöhe der Anlage im Verhältnis zur Entfernung zur Wohnbebauung. Damit bleibt es bei der gesetzlichen Annahme, dass eine Windenergieanlage in bestimmten Fällen eine optisch bedrängende Wirkung entfaltet – unabhängig davon, ob sie sich topografisch unterhalb der Wohnbebauung befindet oder wie sich die Höhe auf ihre Einzelteile verteilt.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage eines Hauseigentümers abgewiesen, der sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer 200 Meter hohen Windenergieanlage in rund 447 Meter Entfernung wandte. Nach der Schallprognose bleibt der nächtliche Wert von 45 dB(A) an seinem Wohnhaus im Außenbereich unterschritten; persönliche Angaben zu Quietsch- und Impulsgeräuschen ändern daran nichts, weil nur der rechtmäßige Betrieb der bereits vorhandenen Anlagen zählt. Auch tieffrequenter Schall begründet keinen Anspruch, weil aktuelle Studien keine Gesundheitsgefahr belegen. Eine „optisch bedrängende Wirkung“ verneinte das Gericht unter Hinweis auf § 249 Abs. 10 BauGB: Der Abstand übersteigt das Zweifache der Anlagenhöhe, die Turmspitze liegt 34 Meter tiefer als das Wohnhaus, und besondere Ausnahmeumstände erkannte der Senat nicht. Eine Außenbereichs-Wohnnutzung müsse übliche Belastungen durch privilegierte Vorhaben wie Windräder hinnehmen.
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Zum Schluss geht es noch um ein allerhöchstrichterliches Urteil des EuGH, hier um die uralte Streitfrage, welche Garantien nun in einem Bauvertrag gelten.
Nachträglich keine Garantieleistungen in Bauverträge „hineinlesen“
Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Transparenzgebot im Vergaberecht stehen einer Auslegung entgegen, die auf einen Bauvertrag Vorschriften anwendet, die ursprünglich für Kaufverträge gedacht sind – etwa über Garantien –, wenn diese Vorschriften weder in den Ausschreibungsunterlagen noch im Bauvertrag selbst genannt sind. Maßgeblich ist, ob ein durchschnittlich sachkundiger Bieter bei üblicher Sorgfalt die Anwendung solcher Regeln klar und vorhersehbar hätte erkennen können. Ist das nicht der Fall, darf das Gericht sie nicht nachträglich in den Vertrag hineinlesen, so der EuGH (Rs. C-82/24 vom 5. Mai 2025).
Ausgangspunkt war der Ausbau der Warschauer Kläranlage „Czajka“. Die städtische Wasserbetriebsgesellschaft hatte 2008 ein internationales Konsortium unter Führung von Veolia mit Planung und Bau einer Schlammverbrennungsanlage beauftragt. Im Bauvertrag stand eine „Qualitätsgarantie“ von 36 Monaten ab Abnahme; zugleich verwies das Dokument pauschal auf das polnische Zivilgesetzbuch für nicht geregelte Fragen. Als die beiden Rekuperatoren der Anlage 2014 und 2015 ausfielen, wurden sie innerhalb der Garantiefrist ersetzt. Nach einem weiteren Defekt im November 2018 verlangte die Auftraggeberin erneut unentgeltliche Ersatzleistung und berief sich auf Artikel 581 § 1 des polnischen Zivilgesetzbuchs: Bei Kaufverträgen beginnt die Garantie nach dem Austausch einer mangelhaften Sache von Neuem. Das Konsortium hielt diese Regel für unanwendbar, da sie nie Vertragsbestandteil gewesen sei.
Das Regionalgericht Warschau, das über die Klage auf Vertragsstrafen entschied, legte dem EuGH die Frage vor, ob der Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz des EU-Vergaberechts erlaubt, solche nationalen Kaufrecht-Vorschriften analog auf einen Bauauftrag anzuwenden. Der EuGH verneinte dies. Die Dauer und Bedingungen einer Garantie beeinflussten Preisbildung und Risikokalkulation wesentlich; alle Bieterinnen und Bieter müssten sie daher vor Angebotsabgabe klar erkennen können. Ein bloßer Verweis auf das nationale Recht reiche nicht aus, wenn daraus erst durch Auslegung eine verlängerte Garantiepflicht folge. Für eine sachkundige Bieterin aus einem anderen Mitgliedstaat sei diese Rechtsfolge weder eindeutig noch vorhersehbar gewesen. Öffentliche Auftraggeber dürfen entsprechend keine nachträglichen Gewährleistungspflichten in einen Bauvertrag hineinlesen, wenn diese Pflichten weder in den Vergabeunterlagen noch im Vertrag selbst ausdrücklich genannt sind.