Kaum Nachwuchs, hohe Schäden, schlechter Ruf - Bilanz zu 10 Jahren fehlender Meisterpflicht im Fliesenlegerhandwerk: Ohne Korrektur stirbt der Berufszweig.
Vor In-Kraft-Treten der HwO-Novelle im Jahr 2004 lag die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen im Fliesenlegerhandwerk konstant bei etwa 550 pro Jahr, mittlerweile sind es nur noch knapp 100 Meisterprüfungen, mithin ein Rückgang um 80%. Bild: ZDB
Die Abschaffung der Meisterpflicht im Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk war eine
Fehlentscheidung zulasten dieser Branche und der Verbraucher. Dies ist die Bilanz des
Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und der Industriegewerkschaft Bauen-
Agrar-Umwelt (IG BAU) nach bald zehn Jahren Erfahrung mit der Novelle der Handwerksordnung
(HwO). Die Qualität in dem einstigen Vorzeige-Handwerk ist drastisch gesunken,
die Ausbildungsleistung eingebrochen.
Die Zahl der Fliesenlegerbetriebe hat sich seit In-Kraft-Treten der HwO-Novelle mehr als
verfünffacht. Waren im Jahr 2004 in Deutschland etwa 12.000 Fliesenlegerbetriebe eingetragen,
waren es am 31. Dezember 2012 über 68.000; darunter 18.500 Betriebe, deren Inhaber
aus den MOE-Staaten kommen. Vor In-Kraft-Treten der HwO-Novelle im Jahr 2004 lag die
Zahl der bestandenen Meisterprüfungen im Fliesenlegerhandwerk konstant bei etwa 550 pro
Jahr, mittlerweile sind es nur noch knapp 100 Meisterprüfungen, mithin ein Rückgang um
80 %. Auch die Ausbildungsleistung hat um mehr als die Hälfte abgenommen. Wurden im
Jahr 2002 deutschlandweit noch knapp 4.500 Fliesenleger ausgebildet, so waren es im Jahr
2012 nur noch etwas mehr als 2.000. Langfristig werden durch diese Entwicklung qualifizierte
Mitarbeiter und Meister fehlen, die eine praxisorientierte Ausbildung vermitteln können.
Ursache für diese dramatische Entwicklung ist der Wegfall der Meisterpflicht für Fliesenleger
zum 1. Januar 2004 aufgrund der HWO-Novelle. Jeder der möchte, kann sich ohne Nachweis
einer Qualifikation als Fliesenleger selbstständig machen. Dies führte zu einem gnadenlosen
Unterbietungswettlauf. Selbst florierende Unternehmen sahen sich gezwungen, langjährige
Mitarbeiter zu entlassen. Diesen blieb nur der Weg sich – meist als Ein-Mann-Betrieb
- selbstständig zu machen, nicht selten als Scheinselbstständige. Als solche haben sie keinen
Anspruch auf den Tariflohn. Die Konkurrenz mit wenig oder gar nicht qualifizierten Anbietern
drückte ihr Einkommen stetig weiter nach unten. Kaum einer der mittlerweile zu Einzelunternehmern
geschrumpften Betriebe bildet noch aus. Ohnehin ist die Branche unter den
bestehenden Bedingungen für den Nachwuchs wenig attraktiv. Das Image hat zusätzlich
gelitten, weil ohne Fachkräfte die Qualität der Arbeit in Verruf geraten ist. Kunden müssen
mit gravierenden Mängeln rechnen, die Schäden in Höhe von mehreren Tausend Euro nach
sich ziehen.
„Der Wegfall der Meisterpflicht für Fliesenleger hat in eine Sackgasse geführt“, stellte der
stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfers fest. „Wird dem nicht
schnellstens entgegengesteuert, wird es in wenigen Jahren so gut wie keine Qualitätsbetriebe
in dieser Branche mehr geben. Das Know-how ist dann ein für allemal weg und ein einst
stolzer Handwerkszweig damit Geschichte. Verbraucher, die dann verlässliche Qualität für ihre Immobilie wollen, werden lange suchen und dabei viel Glück haben müssen, bis sie einen
qualifizierten Fachmann finden.
„Die Vielzahl der Einmann-Betriebe bereitet uns große Sorgen. Denn sie bilden das Einfallstor
für Illegalität am Bau. Sie erhalten die Zulassung im Fliesenlegerhandwerk, treten aber
als Kolonnen auf Baustellen auf und verrichten eine Vielzahl von Tätigkeiten anderer Gewerke,
was zu Schäden weit über das eigentliche Fliesenlegerhandwerk hinaus führt.“ Ergänzte
Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes.
IG BAU und ZDB fordern von der neuen Bundesregierung eine Korrektur der HwO-Novelle.
Es muss sichergestellt werden, dass Kunden für ihr Geld fachgerechte Leistungen erhalten
und nicht erst über langwierige und oft aussichtlose Prozesse hohe Schadenssummen einklagen
müssen. Ein auch zukünftiges Angebot an Fach- und Meisterleistungen wird es aber
nur geben, wenn gut qualifizierte Kräfte sich nicht weiterhin in Konkurrenz zu ungelernten
Dumpinganbietern gezwungen sehen. Der einfachste Weg dahin ist die Rückkehr zur Meisterpflicht
im Fliesen-, Platten- und Moaiklegerhandwerk.
Darüber hinaus stärkt eine solche Entscheidung nicht nur das Fliesenlegerhandwerk, sondern
wäre ein starkes Zeichen für die duale Berufsausbildung, um die Deutschland beneidet
wird.