Die Laune in der deutschen Wirtschaft ist so schlecht, wie schon lange nicht mehr. Der Ifo-Geschäftsklima-Index sank von 86,6 Zähler im August auf 85,4 Punkte im September und damit zum vierten Mal in Folge.
Bild: Pixabay.com / geralt Dieter Last (62), Handwerksmeister, Fachjournalist und Mitglied im Arbeitskreis Baufachpresse e. V.
Bild: privat Dieses wichtige Konjunkturbarometer zeigt uns die schlechte Stimmung in den Kernbranchen der deutschen Industrie und ifo-Präsident, Clemens Fürst, unterstreicht den zunehmenden Druck mit trüben Aussichten für die Zukunft. In der Folge ist die Verunsicherung der Bundesbürger recht hoch und die Neigung zum „Angstsparen“ wächst. Der Konsummotor beginnt also zu stottern und die Binnennachfrage sinkt entsprechend weiter.
Neben der überbordenden Bürokratie und dem Fachkräftemangel bereiten die aktuellen Transformationsprozesse in Industrie und Handel vielerorts begründete Sorgen. Tagtäglich werden schlechte Nachrichten verbreitet und die weltweiten Krisen vermitteln der Bevölkerung kaum eine positive Grundhaltung. Egal, ob beim Infrastrukturausbau, der Zuwanderung und den damit verbundenen Sozialproblemen oder der Deutschen Bahn – überall überwiegt das Negative in den Schlagzeilen und fast immer sind andere Schuld an dem Dilemma. Lösungsansätze? Fehlanzeige!
Tugenden sind nicht gefragt
Von Disziplin, Selbstverantwortung und Fleiß hört bzw. liest man in diesen Zeiten nicht mehr viel. Diese (preußischen) Tugenden sind gesellschaftlich sowie medial nicht besonders populär und haben scheinbar ausgedient – wir sind da mehr in der Work-Life-Balance angekommen. Aber bitte mit mehr „Life“ und weniger „Work“.
Immer wieder fordern Gewerkschaften im Rahmen der Tarifverhandlungen eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit für ihre Mitglieder. Die IG Metall drängt auf die 32-Stunden-Woche und die Lokführergewerkschaft GDL hat bereits die 35 Wochenstunden durchgesetzt. Klaus Weselsky wurde damit zur Ikone der deutschen Gewerkschaftsfunktionäre. Als Nächstes steht die 4-Tage-Woche an – selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich – versteht sich. Man fragt sich ernsthaft, wer das wie und wann finanzieren soll, denn wir befinden uns längst in einer Lohn-Preis-Spirale die Inflationsängste begünstigt. Wenn alle weniger arbeiten und die Ansprüche an den Staat steigen wird das zudem gesamtwirtschaftliche Folgen haben, die Wohlstandseinbußen nach sich ziehen muss. Deutschland leidet schon jetzt an einem hohen Lohnniveau mit enormen Lohnnebenkosten sowie Staatsabgaben, die neben den Energiekosten mitverantwortlich für die Deindustriealisierung unseres Landes sind.
Aus der Industrie sind deshalb alarmierende Stimmen zu vernehmen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sieht Deutschlands Geschäftsmodell unter „enormen Stress“ und hält die „Gefahr einer industriellen Abwanderung“ für „real“.
Fakt ist zudem: Bei uns ist der vollerwerbstätige Arbeitnehmer im Durchschnitt nur noch 1.574 Stunden pro Jahr tätig. Selbst in Ländern wie Italien (1.718 Std./Jahr) oder Portugal (1.781 Std./Jahr) wird erheblich mehr gearbeitet; von Polen (1.848 Std./Jahr) mal ganz zu schweigen
(Quelle: https://www.iwd.de). Auch der durchschnittliche Krankenstand ist in Deutschland ungewöhnlich hoch. Im ersten Halbjahr 2024 lag er bei gesetzlich Krankenversicherten (GKV) bei rund 6,8 Prozent. Damit ist er im Vergleich zu den pandemiebedingten Werten der beiden Vorjahre 2022 und 2023 nochmals angestiegen, nachdem er während der letzten rund 20 Jahre konstant unter 4,5 Prozent gelegen hatte. (Quelle: https://de.statista.com/)
Ehrlichkeit in der Debatte gefragt
Man darf sich in diesem Zusammenhang sicherlich die Frage stellen, warum politisch Verantwortliche nicht ausdrücklich dazu aufrufen, mehr statt weniger zu arbeiten, um diesem drohenden Szenario in unserem Sozialstaat rechtzeitig zu begegnen. Egal, ob sozialdemokratisch, liberal oder christlich konservativ betrachtet: die Wirtschaftsleistung eines Landes wird sich nicht dadurch verbessern, indem es sich im Freizeitmodus wohlfühlen. Auch Gewerkschaftsvertreter dürften verstanden haben, dass wir bessere Qualifikations- und flexible Arbeitszeitmodelle benötigen, statt in jeder Tarifrunde mehr Geld für weniger Leistung zu fordern.
An dieser Stelle sei ein Vergleich zum Profifußball gestattet, den kürzlich Oliver Bierhoff – bis 2022 Geschäftsführer der Nationalmannschaften und Akademie der DFB GmbH & Co. KG und heutiger Finanzberater für Profifußballer – tätigte. Er verglich das Trainingspensum des amtierenden deutschen Meisters 2023/24 mit der aktuellen Arbeitszeitdiskussion: „Stellen sie sich mal vor, die Mannschaft von Bayer Leverkusen trainiert in der kommenden Saison nur noch vier Tage in der Woche. Glauben sie ernsthaft, dass die dann noch auf dem 1. Platz in der deutschen Bundesligatabelle stehen“?
Wenn es der nächsten Generationen wirklich gut gehen soll, dann muss sie sich bewegen, anpacken und fleißig sein – auch wenn das derzeit eine recht verpönte Einstellung ist. Eine Zeitlang kann man sicherlich vom Erbvermögen der Vorgänger zerren, perspektivisch reicht das aber sicherlich nicht aus. Wir befinden uns im internationalen Wettbewerb; es gibt viele Schwellenländer, die gern alle offenen Flanken nutzen, die sich mit einem maroden Wirtschaftsstandort anbieten. Wir müssen also mehr trainieren, um in Deutschland wieder fit zu werden. Das ist angesichts der demografischen Entwicklung im Lande, der Defizite in den Sozialsystemen sowie auch hinsichtlich der gewaltigen Aufgaben, die die Energie- und Wärmewende mit sich bringt, zwingend notwendig.