Das Landgericht Berlin hat dem Energieversorger EnStroGa untersagt, Abschlagszahlungen seiner Kunden während des Abrechnungszeitraums einseitig und ohne wirksame Preiserhöhung anzuheben. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte gegen drastische Erhöhungen der monatlichen Abschläge durch den Stromanbieter geklagt. Betroffen waren auch Verbraucher:innen, die einen Tarif mit Preisgarantie abgeschlossen hatten. Der vzbv geht in der aktuellen Krise derzeit verstärkt gegen fragwürdiges Anbieterverhalten am Energiemarkt vor.
Bild: Gina Sanders - Adobe Stock / vzbv
- LG Berlin: Erhöhung der Abschläge ohne wirksame Preiserhöhung ist vertragswidrig.
- Betroffen waren auch Verbraucher:innen, die einen Tarif mit Preisgarantie abgeschlossen hatten.
- Erhöhung der Abschläge ohne wirksame Preiserhöhung war vertragswidrig.
„Auf dem Energiemarkt agieren einige Unternehmen derzeit mit zweifelhaften Methoden und versuchen, sich auf Kosten der Verbraucher:innen zu bereichern. Umso wichtiger ist das aktuelle Urteil des Landgerichts Berlin. Gestiegene Beschaffungskosten rechtfertigen keinen Vertragsbruch durch einen Energieanbieter“, sagt Kerstin Hoppe, Rechtsreferentin beim vzbv. „An Preisgarantien müssen sich die Anbieter ebenso halten wie an die vereinbarten Regeln zur Höhe der Abschlagszahlungen. Dieses Rechtsprinzip können Unternehmen auch nicht mit Verweis auf eine Energiepreiskrise aushebeln.“
Abschlagszahlungen drastisch erhöht
Die EnStroGa AG hatte ihren Stromkunden per E-Mail im Oktober 2021 eine drastische Erhöhung der Abschlagszahlungen angekündigt. Statt 60 Euro sollte eine Kundin plötzlich 84 Euro im Monat zahlen – ein Anstieg von 40 Prozent. Begründung: Die alten Beträge seien nicht ausreichend, „um den für Ihren Zählpunkt benötigten Energieeinkauf sicherzustellen.“
So eine E-Mail erhielten auch Kunden, die einen Vertrag mit eingeschränkter Preisgarantie abgeschlossen hatten. Preisanpassungen während der vereinbarten Laufzeit waren demnach nur zulässig, falls sich staatlich regulierte Preisbestandteile wie Steuern und Abgaben ändern. Für gestiegene Strombeschaffungskosten gilt dies nicht.
Höhere Abschläge waren rechtswidrig
Das Berliner Landgericht schloss sich der Auffassung des vzbv an, dass die Erhöhung des Abschlagszahlungen rechtswidrig war. Eine Anpassung der Abschläge sei zwar grundsätzlich zulässig, wenn sich der zu zahlende Strompreis während des Abrechnungszeitraums erhöht. Die EnStroGa habe sich aber nicht an den vereinbarten Anpassungsmechanismus gehalten und damit vertragswidrig gehandelt.
Eine bloße Änderung der Beschaffungspreises berechtige nicht zu einer Erhöhung von Abschlagsforderungen. Nach den eigenen Geschäftsbedingungen hätte der Stromversorger erst den Strompreis wirksam erhöhen müssen, um anschließend die Abschlagszahlungen für den restlichen Abrechnungszeitraum an den höheren Preis anzupassen. Das hatte der Stromversorger nicht getan. Bei Kunden mit eingeschränkter Preisgarantie wäre eine wirksame Preiserhöhung wegen gestiegener Beschaffungskosten auch gar nicht möglich gewesen. Das war durch die Garantie vertraglich ausgeschlossen.
Der vzbv empfiehlt von Preiserhöhungen betroffenen Verbraucher:innen, sich an die Verbraucherzentralen zu wenden. Diese können im Einzelfall bewerten, ob eine Preisanhebung rechtmäßig ist.
vzbv verstärkt juristische Schritte gegen Energieanbieter
Der vzbv beobachtet den Energiemarkt in der aktuellen Krise sehr genau und geht verstärkt juristisch gegen Anbieter vor. Im Fokus stehen dabei vor allem unberechtigte Preisanpassungen, fehlerhafte Erhöhungsschreiben und Abschlagszahlungen. Oft geht es dabei auch um eine gerichtliche Klärung wichtiger Rechtsfragen.
Aufgrund der Energiekrise hat der vzbv im ersten Halbjahr 2022 bereits so viele Abmahnungen ausgesprochen wie im Jahr 2021 insgesamt. Im ersten Halbjahr 2022 waren es 16 Abmahnungen mit Bezug zur Energiebranche.
Zudem bereitet der vzbv zwei Musterfeststellungsklagen gegen die Energieversorger primastrom GmbH und voxenergie GmbH vor. Die Unternehmen erhöhen bereits seit Oktober 2021 massiv ihre Preise, obwohl sie bei Vertragsschluss jeweils eine 24 monatige Preisgarantie versprochen haben. Der vzbv will gerichtlich feststellen lassen, dass die Preiserhöhungen unwirksam sind.
Urteil des LG Berlin vom 1.09.2022, Az. 52 O 117/22 – nicht rechtskräftig