Bei metallischen Werkstoffen ist die mechanische Festigkeit von der Last und der
Temperatur abhängig. Anders liegen die Verhältnisse bei thermoplastischen Kunststoffen. Bei ihnen ist die Festigkeit nicht nur von der Last und
Temperatur abhängig, sondern zusätzlich von der Zeit. Es handelt sich um irreversible Molekülbewegungen, das sog. „Kriechen“ des Werkstoffes. Darüber hinaus ist die thermische Widerstandsfähigkeit unter Einwirkung von
Wärme und Sauerstoff ebenfalls von der Dauer der Einwirkung abhängig. Für Heizleitungsrohre aus Kunststoff in
Fußbodenheizungsanlagen erwartet man eine Lebensdauer von mehr als 50 Jahren. Unter den Einsatzbedingungen ist es jedoch nicht möglich, über eine derartig lange Zeit zu prüfen. Deshalb führt man verschärfte, zeitraffende Prüfmethoden durch. Dies kann dadurch geschehen, dass man bei höheren Drücken und
Temperaturen im Laborversuch die Standzeit von Prüflingen bis zum Bruch untersucht.
Die Erfahrungen der Rohrhersteller, der untersuchenden Institute und der nationalen und internationalen Normungsgremien, führen zu entsprechenden mathematischen Modellen für die Vorhersage der Lebensdauer. Die aus Versuchen gewonnenen Zeitstandkennlinien werden über den gemessenen Verlauf hinaus „extrapoliert“ (z. B. nach dem „Arrhenius“- Verfahren). Daraus werden für bestimmte Betriebstemperaturen der Heizrohre die Zusammenhänge zwischen Belastung und Lebensdauer in einem Zeitstanddiagramm dargestellt. Aus praktischen Gründen verwendet man dabei eine doppelt-logarithmische Darstellung. Um bei der Darstellung nicht die entsprechenden Betriebsdrücke bzw. Rohrdurchmesser angeben zu müssen, verwendet man den Begriff der Vergleichsspannung. Im Falle von Laborversuchen, die üblich an geraden Rohrstücken durchgeführt werden, ist die Richtung der auftretenden Spannung im Werkstoff klar definiert. Diese aus Längs- und Umfangsspannungen resultierende Spannung bezeichnet man als Vergleichsspannung; sie ist für das Zeitstandverhalten im Zeitstand-Innendruckversuch maßgebend. Werden die Heizrohre jedoch im Fußboden eingebaut, so kommen zusätzliche Beanspruchungen durch Biegen, Torsion etc. hinzu. Die Spannungen können in Bezug auf ihre Richtung und Größe sehr unterschiedlich sein. Die maximale Beanspruchung in einem bestimmten Punkt setzt sich daher aus allen in diesem Punkt wirkenden Spannungen resultierend zusammen, sie ist meist größer. Bei den Laborversuchen ergibt sich die Vergleichsspannung aus dem Innendruck und der Dimension des Heizrohres nach der Formel(Formel 8.1)
Die in Abb. 8.1 dargestellte Zeitstandkurve ist wie folgt zu lesen: Wird der Rohrwerkstoff so stark belastet, dass bei einer Dauertemperatur von 20 °C eine Spannung von 22 N/mm
2 auftritt, so wird es augenblicklich zu einem Bruch kommen (Berstdruckfestigkeit). Wird die Belastung / Spannung auf 10 N/mm
2 reduziert, so wird das Heizrohr erst nach 105 h versagen. Es hat sich nun herausgestellt, dass dieser zunächst lineare Zusammenhang insbesondere bei höheren
Temperaturen nicht mehr besteht, und die Kurven mehr oder weniger steil nach unten abknicken. Die Steilheit des Abknickens unter bestimmten
Temperatur- und Werkstoffbelastungen ist stark werkstoffabhängig. Wie kann man nun aufgrund erhöhter Prüfbedingungen eine Aussage zum Langzeitverhalten machen?
Zunächst werden Zeitstandinnendruckversuche bei erhöhter
Temperatur durchgeführt, mit der Überlegung, dass ein eventuelles Abknicken der Kennlinie bei höherer
Temperatur früher auftritt. An mehreren Zeitstandinnendruckkurven bei verschiedenen
Temperaturen kann man dann den möglichen Knick bei Raum- bzw. Betriebstemperatur mathematisch oder graphisch extrapolieren. Nach der amerikanischen Extrapolationsmethode berücksichtigt man dort nur die Gebrauchs temperatur. Es werden also Zeitstand kurven bei höheren
Temperatur belastungen aufgenommen. Für die herkömmlichen Kunststoffe in Verbindung mit Raumtemperaturen hat diese Methode recht gute Resultate gebracht. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die deutsche Extrapolationsmethode stets Minimalkurven darstellt, während die amerikanische Methode Mittelwertkurven zeigt.
Extrapolationen können natürlich nur durchgeführt werden, wenn sich die Materialeigenschaften für die Dauer des Vorhersage-Zeitraumes nicht ändern. Sie können sich jedoch durch spannungs rissbildende Medien, ultraviolette Bestrahlung bzw.
Wärmeeinwirkung erheblich verändern. Deshalb werden den Werkstoffen zur Rohrherstellung verschiedene Stabilisatoren beigefügt. Die Auswahl der notwendigen
Wärmestabilisatoren muss sehr genau und sorgfältig getroffen werden. Es muss sichergestellt werden, dass diese Stabilisatoren für die Zeitdauer der Vorhersage keine Veränderung erfahren bzw. ihre Wirkung nicht verlieren.