Bei der Arbeit auf Baustellen kommen die Beschäftigten mit allen möglichen Gefahrstoffen (Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse [Dämmstoffe, Asbest, Gase, Flüssigkeiten, Montageschäume, Lösemittel, Zement, Schalöle, Bitumen, andere Isolieranstriche]) in Kontakt. Diese besitzen bestimmte physikalische, chemische oder toxische Eigenschaften (z: B. sind sie hochentzündlich, giftig, ätzend oder krebserregend). Sie können akute oder chronische gesundheitliche Schäden beim Menschen verursachen und gefährlich für die Umwelt sein. Um den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen zu gewährleisten, gibt es komplexe Risikomanagementsysteme, die in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen festgelegt sind.
Die Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung, wieder. Sie werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) aufgestellt und von ihm der Entwicklung entsprechend angepasst. Die TRGS werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Bundesarbeitsblatt bekannt gegeben. Das Technische Regelwerk umfasst die vom Ausschuss für Gefahrstoffe beschlossenen Regeln und Erkenntnisse nach Maßgabe des § 21 Abs. 3 der Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (GefStoffV). Das Technische Regelwerk enthält auch Regelungen aus konkreten EG-Vorschriften, auf die in der Verordnung gleitend verwiesen wird und die dadurch in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Unternehmen müssen sich ständig mit den umfangreichen Vorschriften befassen, damit die Maßnahmen beim Umgang mit Gefahrstoffen beachtet werden, denn Fehler bei dem Umgang mit den Stoffen können zu Fehlzeiten und Krankheiten der Mitarbeiter führen. Diese führen nicht nur Betriebsstörungen, sondern sie sind auch direkte Kostenfaktoren. Schutzmaßnahmen, die von den staatlichen Überwachungsbehörden und den Berufsgenossenschaften während der Bauarbeiten eingefordert werden, können zu erheblichen Nachrüstungen führen, die die Bauzeit verlängern.
Gefahrstoffe treten in Einsatzstoffen (reine Stoffe [z. B. Benzol] oder Stoffgemische [z. B. Reinigungsmittel, Kühlschmierstoffe]), in Stoffen, die erst bei der Arbeit mit einem Produkt entstehen (z. B. Schweißrauche, die beim Schweißen von Edelstählen entstehen) und in Stoffen, die bei dem Einsatz freigesetzt werden (z. B. Lösemitteldämpfe, die beim Streichen mit lösemittelhaltiger Farbe oder Klebstoffen freigesetzt werden). Die Gefahrstoffe werden durch Gefahrenhinweise (H-Sätze), Sicherheitshinweise (P-Sätze) angegeben.
Wenn ein Produkt Gefahrstoffe enthält, dann muss der Hersteller ein aktuelles Sicherheitsdatenblatt (SDB) bereithalten und auf Anfrage kostenlos zusenden oder online zur Verfügung stellen. Diese beinhalten alle wichtigen Angaben für die Verwendung des Stoffes, zum Verhalten im Gefahrfall, zur Lagerung des Stoffes, zu den Erste-Hilfe-Maßnahmen und zur Abfallentsorgung.
Der Arbeitgeber und die Beschäftigten sind verpflichtet, dass die für den Umgang mit Gefahrstoffen erlassenen Vorschriften und Regeln eingehalten werden.
Alle Chemikalien unterliegen vor dem Inverkehrbringen grundsätzlich der Einstufungs- und Kennzeichnungspflicht. Über die Kennzeichnung (GHS* [Globally Harmonised System]) von Baustoffe können die Gefahrstoffe, die die Gesundheit und Umwelt gefährden, erkannt werden. Mit dem System werden gefährliche Stoffeigenschaften identifiziert und durch Gefahrensymbole gekennzeichnet. Das GHS stuft weltweit Chemikalien nach einheitlichen Kriterien ein und gekennzeichnet diese.
Die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien erfolgt durch die von innen kommenden Eigenschaften der Stoffe und Gemische. Es wird grundsätzlich zwischen physikalischen Gefahren, Gesundheitsgefahren und Umweltgefahren unterschieden. Die Angaben werden in Form eines Textes und standardisierte Piktogramme vorgenommen. Diese sind gut sichtbar auf der Verpackung (Kanister, Dose, Flasche) anzubringen.
* Das auf UN-Ebene entwickelte GHS zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien ist nicht unmittelbar rechtswirksam. Es muss erst durch Implementierung in die nationale Gesetzgebung der einzelnen Staaten oder Staatengemeinschaften verbindlich umgesetzt werden. In Europa geschieht dies durch die CLP-Verordnung (Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen / Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures).
GHS (Globally Harmonised System) - Wirkungen und beispielhafte Schutzmaßnahmen |
GHS01 | Instabile oder stabile explosive Stoffe und Gemische sowie Erzeugnisse mit Explosivstoff. | Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen. Nicht schleifen, stoßen, reiben. Bei Brand: Umgebung räumen. Explosionsgefahr. |
GHS02 | Stoffe und Gemische, die extrem entzündbar, leicht entzündbar oder entzündbar sind. Stoffe und Gemische, die sich selbst an der Luft erhitzen und in Brand geraten. | Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen Maßnahmen gegen elektrostatische Entladungen treffen. Explosionsgeschützte elektrische Geräte verwenden. Vor Sonnenbestrahlung schützen. An einem gut belüfteten Ort aufbewahren. Kühl halten. |
GHS03 | Stoffe und Gemische, die die Verbrennung anderer Materialien verursachen oder begünstigen. | Von Kleidung und brennbaren Materialien fernhalten und entfernt aufbewahren. Mischen mit brennbaren Stoffen unbedingt verhindern. |
GHS04 | Verdichtete, verflüssigte, gelöste und tiefgekühlt verflüssigte Gase. | Schutzhandschuhe mit Kälteisolierung und Augen- und Gesichtsschutz tragen. Vor Sonnenbestrahlung schützen. An einem gut belüfteten Ort aufbewahren. |
GHS05 | Stoffe und Gemische, die die Haut zerstören undverätzen. Stoffe und Gemische, die das Augengewebe oder das Sehvermögen schädigen. | Schutzhandschuhe, Schutzkleidung, Augenschutz, Gesichtsschutz tragen. Nicht in die Augen, auf die Haut oder auf die Kleidung gelangen lassen. Bei Kontakt mit der Haut oder Augen einige Minuten lang mit Wasser ausspülen. |
GHS06 | Stoffe und Gemische, die durch Aufnahme, durch Verschlucken, über die Haut und/oder durch Einatmen äußerst schwere akute oder schwere akute Gesundheitsschäden oder Tod bewirken. | Schutzhandschuhe, Schutzkleidung, Augenschutz, Gesichtsschutz tragen. Bei Exposition sofort Arzt anrufen. Staub, Rauch, Gas, Nebel, Dampf, Aerosol nicht ein atmen. Kein Kontakt mit der Haut, Augen und Kleidung. An einem gut belüfteten Ort aufbewahren. Behälter dicht verschlossen halten. |
GHS07 | Stoffe und Gemische, die die Haut, die Augen und/oder die Atemwege reizen und/oder eine allergische Hautreaktion wie z. B. juckender Hautausschlag, Schuppungen, Bläschen auslösen. | Bei Berührung mit der Haut oderden Augen mit viel Wasser waschen. Bei anhaltender Augenreizung einen Arzt hinzuziehen. Beim Einatmen die Person an die frische Luft bringen und für ungehinderte Atmung sorgen. |
GHS08 | Stoffe und Gemische, die bekanntermaßen krebserzeugend oder fruchtbarkeitsschädigend beim Menschen sind. | Stoffe und Gemische, die die Körperfunktionen wie Organe und Gewebe beeinträchtigen ohne zum Tod zu führen. | Feste oder flüssige Stoffe und Gemische, die beim Eindringen in die Lunge Lungenschäden hervorrufen und zum Tod führen können. | Stoffe und Gemische, die eine Überempfindlichkeit der Atemwege wie Asthma verursachen. | | Schutzhandschuhe, Schutzkleidung, Augenschutz, Gesichtsschutz tragen. Staub, Rauch, Gas, Nebel, Dampf, Aerosol nicht einatmen. Bei Exposition sofort einen Arzt hinzuziehen. Kein Erbrechen hervorrufen. Unter Verschluss aufbewahren. |
GHS09 | Stoffe und Gemische, die sehr giftig, giftig oder schädlich für Wasserorganismen mit kurz- und/oder langfristiger Wirkung sind. | Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Inhalt und/oder den Behälter fachgerecht entsorgen. Verschüttete Mengen aufnehmen und entsorgen. |
Der Hersteller, der ein Produkt inverkehr bringt, ist dafür verantwortlich, dass das Sicherheitsdatenblatt (SDB oder Safety Data Sheets [SDS]) fachlich richtig und vollständig ausgefüllt ist. Wichtig ist, dass dieses Dokument regelmäßig an den aktuellen Wissensstand angepasst wird. Dies ist der Fall, wenn neue Informationen Auswirkungen auf Risikomanagementmaßnahmen haben, neue Informationen über Gefährdungen verfügbar werden oder Zulassungen sowie Beschränkungen erfolgt sind.
Aufbau und Inhalte eines Sicherheitsdatenblatts:
- Bezeichnung des Stoffs bzw. des Gemischs und Firmenbezeichnung
- Mögliche Gefahren
- Angaben zu Bestandteilen
- Erste-Hilfe-Maßnahmen
- Maßnahmen zur Brandbekämpfung
- Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung
- Handhabung und Lagerung
- Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstung
- Physikalische und chemische Eigenschaften
- Stabilität und Reaktivität
- Angaben zur Toxikologi
- Angaben zur Ökologie
- Hinweise zur Entsorgung
- Angaben zum Transport
- Vorschriften
- Sonstige Angaben
- Anhang zu Sicherheitsdatenblättern
Mit Wirkung vom 1. Januar 2021 erhält der Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 die Fassung des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 2020/878 vom 18. Juni 2020. Abweichend hiervon dürfen Sicherheitsdatenblätter, die dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 2020/878 nicht entsprechen, bis zum 31. Dezember 2022 weiterhin zur Verfügung gestellt werden.
Im Gegensatz zur Betriebsanleitung (Gebrauchsanleitung / Bedienungsanleitung) weist eine Betriebsanweisung auf die individuellen innerbetrieblichen Gefahren durch chemische und biologische Stoffe, bestimmte Maschinen, Fahrzeuge oder technische Anlagen hin und regelt den Umgang mit diesen. Ihr Ziel ist es, Unfälle im Umgang mit Arbeitsmitteln und Stoffen zu minimieren.
Die TRGS 555 - "Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten" konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind.
Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass den Beschäftigten vor Aufnahme der Tätigkeit eine schriftliche Betriebsanweisung zugänglich gemacht wird, die der Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV Rechnung trägt. Die Betriebsanweisung ist in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache abzufassen. Sie ist an geeigneter Stelle an der Arbeitsstätte möglichst in Arbeitsplatznähe zugänglich zu machen.
Betriebsanweisungen sind arbeitsplatz-, tätigkeits- und stoffbezogeneverbindliche schriftliche Anordnungen und Verhaltensregeln des Arbeitgebers an Beschäftigte. Sie dienen dem Schutz vor Unfallgefahren, Gesundheits-, Brand- und Explosionsgefährdungen sowie dem Schutz der Umwelt bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Für Tätigkeiten, bei denen Gefahrstoffe erst entstehen oder freigesetzt werden (z. B. Holzbearbeitung, Löten und Schweißen, Schneiden von Steinen) sind ebenfalls Betriebsanweisungen zu erstellen.
Es kann zweckmäßig sein, Betriebsanweisungen in einen stoff- und tätigkeitsspezifischen Teil (Eigenschaften des Stoffes, Gefährdungen durch den Stoff, spezifische Schutzmaßnahmen usw.) sowie in einen betriebsspezifischen Teil (Alarmplan, Notrufnummern, zu benachrichtigende Personen, Verhalten bei Betriebsstörungen usw.) aufzuteilen.
Betriebsanweisungen umfassen folgende Inhalte:
1. Arbeitsbereiche, Arbeitsplatz,Tätigkeit
2. Gefahrstoffe (Bezeichnung)
3. Gefahren für Mensch und Umwelt
4. Schutzmaßnahmen, Verhaltensregeln
5. Verhalten im Gefahrenfall
6. Erste Hilfe
7. Sachgerechte Entsorgung
Viele Informationen für die Erstellung von Betriebsanweisungen können dem Sicherheitsdatenblatt entnommen werden. Das Sicherheitsdatenblatt ist dabei gemäß TRGS 400 auf offensichtlich unvollständige,widersprüchliche oder fehlerhafte Angaben zu überprüfen. Der Arbeitgeber prüft im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung, ob die entnommenen Informationen für die Tätigkeit mit dem Gefahrstoff in seinem Betrieb angemessen sind. Falls nicht, müssen die Angaben entsprechend angepasst oder ergänzt werden.
Die Unterweisungen sind mündlich, arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogen durchzuführen. Dabei sollten die lernpsychologischen und arbeitspädagogischen Erkenntnisse beachtet werden (z. B. Durchführen praktischer Übungen). Elektronische Medien können zur Unterstützung und Vorbereitung der Beschäftigten auf die Unterweisung genutzt werden.
Für Arbeitsplätze und Tätigkeiten mit vergleichbaren Gefährdungen können gemeinsame Unterweisungen durchgeführt werden. Bei den Unterweisungen sind die Vorkenntnisse und Fähigkeiten der zu Unterweisenden zu berücksichtigen. Die Unterweisungen haben in einer für den Beschäftigten verständlichen Form und Sprache zu erfolgen. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig, dass eine Unterweisung in der Muttersprache der Beschäftigten erfolgen muss.
Im Rahmen seiner Aufsichtspflicht, hat sich der Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass die Beschäftigten die Inhalte der Betriebsanweisung und Unterweisung verstanden haben und umsetzen.
Themen, Inhalte (z. B.durch Aufführen von Stichpunkten), Teilnehmer, Name des Unterweisenden und das Datum der Unterweisung sind schriftlich festzuhalten. Die Beschäftigten haben die Teilnahme an den Unterweisungen durch Unterschrift zu bestätigen. Die Dokumentation der Unterweisung kann formlos geschehen. Auf Wunsch ist dem Unterwiesenen eine Kopie auszuhändigen. Der Nachweis der Unterweisung ist mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B hat der Arbeitgeber weitere Informationspflichten wahrzunehmen und weitergehende Maßnahmen zu treffen.