Die Praxis zeigt, dass die Ermittlung der Raumheizlast nach der normierten Heizlastberechnung DIN EN 12831 bei hocheffizienten Gebäuden (z. B. Passivhaus) zu extrem überdimensionierten Auslegungen führt. Mit der extrem hohen Energieeffizienz, die beim Passivhaus erreicht wird, wird der Heizwärmebedarf mit um 10 bis 20 kWh/(m²a) eigentlich völlig unbedeutend in Bezug auf die davon ausgehende Ressourcen- und Umweltbelastung. In einem funktionierenden Passivhaus ist der Verbrauch für Heizung automatisch vernachlässigbar gering (ca. ein Zehntel des sonst üblichen Verbrauches). Feldmessungen haben gezeigt, dass nicht nur in der Berechnung, sondern auch in der praktischen Baunutzung diese 90%ige Einsparung tatsächlich erreicht wird. Dies ist bei Einhaltung der baulichen und technischen Qualitäten des Passivhausstandards statistisch gesichert. Entscheidend ist dabei ausschließlich, dass ein funktionierendes Passivhaus erreicht wird. Unter diesen Umständen ist es nicht mehr wichtig, wie hoch die Jahresbedarfswerte im Einzelnen sind, weil der Passivhausstandard schon von sich aus einen extrem niedrigen Verbrauch garantiert, der eine dauerhaft ökonomisch und ökologisch vertretbare Versorgung "behagliche Räume" sicherstellt.
Bei der Planung und dem Bau von Passivhäusern sind folgende Grundsätze zu beachten:
Südorientierung
Damit ein optimaler passiver Solarenergiegewinn erreicht wird, sind eine südliche Ausrichtung, aktive Verschattung und ein reduzierter Fensterrahmenanteil Voraussetzungen. Dabei kann besonders bei freistehenden Einfamilienhäusern ein erhöhter Dämmaufwand vermieden werden. Im Geschosswohnungsbau und bei anderen kompakten Gebäudeformen kann der Passivhaus-Standard auch ohne Südorientierung erreicht werden.
Sehr guter Wärmeschutz und Kompaktheit
Die Außenhülle muss rundum sehr gut wärmegedämmt werden. Kanten, Ecken, Anschlüsse und Durchdringungen müssen besonders sorgfältig geplant und ausgeführt werden, um
Wärmebrücken zu vermeiden. Alle nicht lichtdurchlässigen Bauteile der Außenhülle des Hauses sind so gut gedämmt, dass sie einen Wärmedurchgangskoeffizienten (
U-Wert) kleiner als 0,15 W/(m²K) haben, das sagt aus, je Grad
Temperaturunterschied und Quadratmeter Außenfläche gehen höchstens 0,15 Watt verloren. Je kompakter eine
Gebäudehülle bebaut ist, desto leichter und kostengünstiger lässt sich der
Passivhaus-Standard verwirklichen. Viele halten diese Bauform für "gewöhnungsbedürftig".
Verglasung und Fensterrahmen (Passivhausfenster)
Die Fenster (Verglasung und Fensterrahmen) sollen einen U-Wert von 0,80 W/(m²K) nicht überschreiten. Hierfür sind besondere Fensterrahmen mit Wärmedämmung erforderlich. Die Verglasungen haben einen g-Wert um 50 % (g-Wert [Gesamtenergiedurchlassgrad für Solarenergie]). Die Fenster müssen wärmebrückenfrei in die Dämmebene der Wandkonstruktionen eingebaut werden.
Luftdichtheit
Die Undichtigkeiten durch unkontrollierte Fugen in der Gebäudehülle darf beim Blower-Door-Verfahren mit Unter- und Überdruck von 50 Pascal nicht größer als 0,6 Raumluftvolumen pro Stunde sein. Durch eine weitere Verbesserung der Luftdichtheit kann auch die Heizlast durch weniger Lüftungswärmebedarf gesenkt werden. Viele Passivhäuser erreichen Drucktestergebnisse von 0,3 bis 0,4 Raumluftvolumen pro Stunde.
Vorerwärmung der Außenluft
Die Außenluft kann über einen Erdwärmetauscher (in der Erde verlegte Lüftungskanäle), durch einen Luftbrunnen und/oder einer Luft-Wärmepumpe in das Haus geführt werden; selbst an kalten Wintertagen wird die Luft so bis auf eine Temperatur von über 5 °C vorerwärmt. Im Sommer ist auch eine Kühlung möglich.
Wärmerückgewinnung
Aus der
Fortluft wird über einen
Wärmetauscher in der kontrollierten Wohnungslüftung (KWL) Wärme zurückgewonnen. Dabei sollten mindestens 80 % der
Wärme der
Außenluft wieder zugeführt werden. Für die Lüftung darf allerdings nur ein geringer Stromverbrauch eingesetzt werden. Eine KWL ist notwendig, um in solchen luftdichten Häusern eine gute
Luftqualität und behagliche Räume zu gewährleisten.
Energiespargeräte im Haushalt
Die Reduzierung des Strombedarfs vermeidet eine unnötige Erwärmung der Räume im Sommer. Kühlschrank, Herd, Tiefkühltruhe, Lampen und Waschmaschine als hocheffiziente Stromspargeräte sind ein Muss für ein Passivhaus. Zum Trocknen der Wäsche sollte kein Abluft- oder Kondensations-Wäschetrockner verwendet werden, sondern die herkömmliche Wäscheleine oder ein Trockenschrank sollten wiederentdeckt werden.
Gesamtkonzept optimieren
Damit der Passivhausstandard erreicht wird, müssen alle vorgenannten Komponenten gut aufeinander abgestimmt werden. Deshalb sollte bei der Planung und Ausführung grundsätzlich ein erfahrener Architekt hinzugezogen werden.
Bei der Planung der Beheizung eines Passivhauses (im Volksmund "Thermoskanne") sollte man das "Brett vor dem Kopf" ein wenig weiter wegnehmen oder ein Loch reinbohren. Eine Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 ist hier nicht anwendbar, weil die Ergebnisse der Heizlast viel zu hoch sind, weil z. B. keine solaren Gewinne, Gewinne aus Abwärme elektrischer Geräte und durch anwesende Personen berücksichtigt werden. Lohnt es sich wirklich, bei den geringen Heizlasten ein wassergeführtes Heizsystem einzubauen? Wäre nicht ein luftgeführtes System sinnvoller? Eine Kontrollierte Wohnungslüftung (KWL) ist sowieso erforderlich. Bei einer guten Planung dieser lüftungstechnischen Anlage sind sogar verschiedene Raumtemperaturen und eine Kühlung möglich.
Die Berechnung der Heizlast in Passivhäuser hat einige Besonderheiten.
Es werden solare Gewinne, Gewinne aus Abwärme elektrischer Geräte und durch anwesende Personen berücksichtigt. Es werden zwei auslegungsrelevante Tage anhand der jeweiligen Wetterdaten die benötigte tagesmittlere Heizleistung bestimmt. Die auslegungsrelevanten Tage werden dabei durch die Südfensterflächen vorgegeben, da die Hauptfensterfläche von Passivhäusern in der Regel nach Süden orientiert ist. Der höhere Wert der beiden Heizleistungen ist die Heizlast des Gebäudes. Danach werden Formeln und Wetterdaten für die Berechnung der Heizleistungen der beiden Auslegungstage bestimmt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die benötigten Gebäudedaten (z. B. Luftwechsel, Geometrie) aus dem PHPP-Verfahren übernommen werden können, dadurch wird die Datenerfassung bedeutend erleichtert.
Im Jahr 1998 erschien das auf Excel basierende Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) zum ersten Mal und wurde seither ständig weiterentwickelt. Kern des Tools sind Rechenblätter für Heizwärmebilanzen (Jahres- und Monatsverfahren), für Wärmeverteilung und -versorgung sowie für Strom- und Primärenergiebedarf. Für die praxisorientierte Planung von Effizienzprojekten weltweit wurden wichtige Module sukzessive ergänzt: u.a. Berechnung von Fensterkennwerten, Verschattung, Heizlast und Sommerverhalten, Kühl- und Entfeuchtungsbedarf, Lüftung für große Objekte und Nichtwohngebäude, Berücksichtigung von erneuerbaren Energiequellen sowie EnerPHit-Zertifizierung (Altbausanierung). Das PHPP wird fortlaufend anhand von Messwerten und neuen Forschungsergebnissen validiert und erweitert.
Im Rahmen wissenschaftlicher Begleitforschungen wurden an mehreren hundert Objekten Messergebnisse mit Berechnungsergebnissen verglichen. Dabei konnte durchweg eine hohe Übereinstimmung zwischen dem mit dem PHPP ermittelten Bedarf und dem durch wissenschaftliche Messprojekte festgestellten Verbrauch festgestellt werden. Bei sorgfältiger Gebäudeeffizienzplanung mit dem PHPP ist somit kein "Performance-Gap" (Differenz zwischen Planungszielgrössen und Messungen im Betrieb) feststellbar.
Das Passivhaus-Projektierungspake (PHPP) umfasst alles, um ein sicher funktionierendes Passivhaus planen zu können. Es ergibt zuverlässige Ergebnisse für:
- Heizwärmebedarf pro Jahr [kWh/(m²a)] und maximale Heizlast [W/m²]
- Kühlbedarf pro Jahr [kWh/(m²a)] und maximale Kühllast [W/m²] (bei aktiver Kühlung)
- Sommerkomfort bei passiver Kühlung: Übertemperaturhäufigkeit [%]
- Bedarf an "Erneuerbarer Primärenergie" (PER) pro Jahr und Primärenergiebedarf (PE) aller Energiedienstleistungen im gesamten Gebäude [kWh/(m²a)]
- Abschätzung der jährlichen Gewinne an erneuerbarer Energie [kWh/(m²Grunda)]
- Förderfähigkeit eines Passivhauses als KfW-Effizienzhaus 40 oder 55
- EnEV-Energieausweis für Wohngebäude